0223 - Rückkehr des Pharao
Bezug auf die Lenkung der Pferde und den Gebrauch der Peitsche einiges gewöhnt, aber hier ringelte sich das geflochtene Leder mehrfach um den feisten Hals des Priesters.
Mit hartem Gesicht zog ihn Thutmosis zu sich heran. Mit metallisch klingender Sprache stellte der Prinz seine Fragen. Die Antworten des Priesters klangen ziemlich hochmütig.
Carsten Möbius sah, wie Thutmosis die Peitsche etwas drehte. Das Gesicht des Priesters lief rot an.
Seine Antworten klangen gepreßt. Und Thutmosis schien ein guter Menschenkenner zu sein. Auch ohne Worte des Gesprächs verstehen zu können, bemerkte Möbius, wann der Priester log. Es kam dann so ein listiger Schimmer über sein Gesicht.
Der Thutmosis merkte es auch. Und bei jeder Lüge begann er, die Peitsche leicht zu drehen. Schließlich hatte er gehört, was er wissen wollte.
Da zog Thutmosis den Dolch. Das Gesicht des Priesters wurde weiß wie ein Laken. Die Augen schienen vor Angst aus den Höhlungen zu treten. Er wußte selbst am besten, daß ein Menschenleben in dieser Zeit nichts wert war. Und die Familie des Pharao stand über allen Gesetzen.
Carsten Möbius zitterte vor Erregung.
»Jetzt«, dachte er. »Jetzt erschlägt Moses den Ägypter und muß dann nach Midian fliehen. Und am Berge Horeb hat er dann die Erscheinung des brennenden Dornbusches. Jetzt erlebst du das mit, was in der Bibel geschrieben steht…«
Aber der Junge hatte sich getäuscht. Zwar hob Thutmosis den Dolch, aber er drehte ihn in der Luft um und schlug mit dem Knauf dem Priester an die Schläfe.
Ohne einen Laut zu geben, sank die feiste Gestalt zu Boden. In dem roten Gewand wirkte er auf dem hellen Steinboden wie ein überdimensionaler Blutfleck.
Thutmosis erteilte der inzwischen abgesessenen nubischen Wache Befehle. Die Männer schlugen mit der rechten Faust gegen die Brust. Es war das Zeichen, daß sie eher sterben als den Befehl mißachten würden.
Mehrere der Krieger machten sich daran, die gewaltigen Portale des Tempels aufzustoßen. Mit einem leisen »Switsch« zog Thutmosis ein kurzes Schwert aus der Scheide, daß er unter seinem Gewand getragen hatte. Dann winkte er Carsten Möbius, während er, den Nubiern voran, in den Tempel des Sobek stürmte.
Der Junge aus dem Raketenzeitalter fingerte aus seiner Jackentasche seinen kleinen, sechsschüssigen Revolver hervor, mit dem die Ägypter nichts anzufangen wußten und den sie bei ihrer Durchsuchung im Tal der Könige für ein nutzloses Spielzeug oder ein sonderbares Götzenidol hielten.
Carsten Möbius, nicht der Stärkste und nicht der Schnellste, trug die Waffe in seiner Zeit als Schutz vor Kidnappern oder anderen Gangstern, die in seinem abenteuerlichen Leben oft genug seinen Weg kreuzten. Er benutzte den Revolver aber nur, wenn er keine andere Möglichkeit der Verteidigung sah. Ein gütiges Schicksal hatte ihn bisher davor bewahrt, die Waffe auf Menschen richten zu müssen.
Allerdings hatte er mit dem »Engelmacher«, wie er den Revolver in einem Anflug von Sarkasmus nannte, Professor Zamorra und seine Freunde schon öfter aus schier ausweglosen Situationen gerettet.
Er schimpfte wieder mal mit sich, daß er vergessen hatte, sich Reservepatronen einzustecken.
Sechs Schüsse - dann hatte der »Engelmacher« nur noch dekorativen Charakter.
Mehrere Priester, die ihnen entgegen--eilten, schoben Thutmosis und Möbius einfach zur Seite. Mit den flachen Klingen der Schwerter und den stumpfen Enden der Speere machten die Nubier der Wache den Priestern klar, daß es besser sei, sich dem Willen des Prinzen zu unterwerfen.
»Zamorra! Wo bist du! Melde dich!« brüllte Carsten Möbius, daß der ganze Tempel widerhallte.
»Hier!« kam es zu seinem Aufatmen. »Hier vorn! Beeil dich, Carsten. Gefahr…!«
Aber da war der Junge schon gestartet. Nur die Gummisohlen seiner zerschlissenen Turnschuhe hinderten ihn daran, auszurutschen und über den blankpolierten Fußboden zu segeln.
»Ich komme, Zamorra!« rief er.
»Dann leg eine Kohle zu!« kam es von unten. »Die Biester haben mich zum Fressen gern…«
Da war Carsten Möbius heran. Seine schreckgeweiteten Augen starrten über den Rand. Der Anblick ließ ihm fast das Blut in den Adern gefrieren.
Zamorra hatte sich völlig an die Wand gedrückt. Und schon waren die vordersten Krokodile heran.
Gefräßige Mäuler öffneten sich, um nach der Beute zu schnappen.
Donnernd zerrissen Detonationen die immer noch weihevollen Gesänge der Priester, die mehr aus Trotz gegen den Prinzen ihre
Weitere Kostenlose Bücher