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0224 - Nur der Satan kennt Manhattan

0224 - Nur der Satan kennt Manhattan

Titel: 0224 - Nur der Satan kennt Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nur der Satan kennt Manhattan (1 of 3)
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seine Knie.
    Sein Gesicht hatte einen abweisenden Ausdruck, als er den Aktendeckel aufschlug. Langsam glitt sein Blick von Zeile zu Zeile. Aus dürren Personaldaten und sachlichen, knappen Beurteilungen, die Neville damals zum Teil selbst geschrieben hatte, entstand vor seinem geistigen Auge wieder das Bild des Mannes, mit dem er und Sam Gordon damals zusammen ausgezogen waren, um den gerissensten Gangsterboss New Yorks zu stellen. Buck Tinbrook… Neville erinnerte sich wieder, wie Buck gegrinst hatte, als ihm Neville sagte, er brauche ihn und Gordon, um Clifford an den Kragen zu gehen. Ja, Buck hatte gegrinst. Obgleich er doch sicher gewusst hatte, was für ein Himmelfahrtskommando sie damit übernahmen.
    ***
    Den ganzen Tag über blieb Neville unsichtbar. Erst abends gegen acht Uhr verließ er sein Office. Da wusste er, was sich beim Auffinden von Bucks Leiche vor sechsundzwanzig Jahren abgespielt hatte: Bucks Etui mit der sternförmigen FBI-Dienstmarke hatte gefehlt. Seine Mörder mussten es ihm gestohlen haben.
    Neville suchte eine verräucherte Kneipe auf, wo er gelegentlich zu Abend aß. Er ließ sich ein saftiges Steak braten, schüttete zwei harte Schnäpse hinterher und zahlte.
    Bis gegen zehn bummelte er durch die Straßen der Downtown, ein alter Mann, ein ergrauter G-man mit gefurchtem Gesicht und vielen Narben auf seinem ganzen Körper. Aber noch immer eine imponierende Figur, ein Recke aus den grauen Tagen des FBI.
    Erinnerungen bestürmten ihn. Hier hatten sie damals Michael Patterson gestellt, den Berufskiller, dem siebzehn Morde nachgesagt wurden. Patterson schoss um sich wie ein Schlachtschiff. Eine neugierige Frau, die trotz aller Aufforderung ihren verdammt neugierigen Schädel nicht vom Fenster wegziehen konnte, bekam einen Streifschuss, eine völlig harmlose Sache, aber sie schrie damals lauer als die beiden uniformierten Cops, die schwer verwundet worden waren.
    Neville marschierte in Richtung Fletcher Street. Als er von der Pearl Street her in sie einbog, glaubte er fast, man schreibe wieder das Jahr 1935. Es war genau wie damals. Die Straßenlaternen brannten. Vom East River kam ab und zu das ferne Tuten eines Schleppers, das hellere Pfeifen einer Barkasse. Eine leichte, laue Brise wehte vom Fluss her durch die Straße und brachte den Geruch von Meer, frischer Farbe aus den Trockendocks und allerlei anderen, undefinierbaren Dünsten mit sich.
    Einmal schlenderte Neville die ganze Fletcher Street hinab bis zur High Street, die auf mächtigen Pfeilern ruhte und an der ganzen Südostseite Manhattans entlanglief, hinab zur Battery und dort weiter zum Hudson.
    Neville machte kehrt. Aber schon nach wenigen Schritten blieb er stehen und runzelte die Stirn. Ob Buck sich damals auch so gefühlt hatte? In der Nacht, als er von vierzehn Kugeln durchbohrt wurde?
    Ärgerlich stieß er durch die Nase einen kurzen Schnaufer aus. Verdammt, jetzt ist aber Schluss, sagte er sich. Schluss mit diesen sentimentalen Anwandlungen.
    Seine Schritte gewannen wieder etwas von jenem energischen Klang, der zu ihm gehörte. Unwillkürlich hatte sich seine Gestalt gestrafft, als er auf die Toreinfahrt zuschritt, wo jene denkwürdige Begegnung mit John Clifford vor sechsundzwanzig Jahren stattgefunden ■hatte.
    In der Einfahrt war es dunkel. Neville tappte hinein. Er empfand keine Furcht, keine Unsicherheit mehr. Seine Sinne waren hellwach. Aber er rechnete nicht mit einem Angriff. Heutzutage wurden G-men nicht mehr so leicht umgelegt wie früher. Das FBI hatte sich durchgesetzt. Es gab keinen Gangster, der nicht genau wusste, dass es glatter Selbstmord war, einen G-man umzubringen.
    Neville blieb stehen, als er vor sich in der Dunkelheit die schattenrissartigen Schemen zweier Männer entdeckte.
    »Mister Neville?«, fragte Cliffords leise Stimme.
    »Ja, ich bin’s!«, erwiderte Neville.
    Und auf einmal fühlte er, dass etwas nicht in Ordnung war. Er versuchte, die Dunkelheit mit seinen Augen zu durchdringen, aber er hatte den Fehler gemacht, zu schnell von der hell erleuchteten Straße in die pechschwarze Nacht der Einfahrt zu gehen. Noch hatten seine Augen sich nicht an den jähen Wechsel von Licht und Finsternis gewöhnt.
    Er bekam einen harten Schlag auf die Schulter und stürzte nach vorn. Er wollte sich herumwerfen, aber ein zweiter Schlag traf ihn genau von vorn und haargenau auf die Kinnspitze. In seinem Gehirn explodierte etwas, grellgelbe Sterne schienen zu platzen und rot glühende Spiralnebel freizugeben, die

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