0229 - Herrin der Dunkelwelt
seine Arme hoch und überschlug sich, soviel Kraft hatte Alassia in den Tritt gelegt. Diese Aktion hatte der anderen lebenden Leiche Zeit gegeben, sich Alassia zu nähern. In Griffweite war er heran, und für die Herrin der Dunkelheit wurde es Zeit, etwas zu unternehmen. Gespannt wartete Solo Morasso ab. Würde sie es wieder mit einem Tritt oder vielleicht diesmal mit den Fäusten versuchen?
Nein, sie reagierte völlig anders und so, wie es Dr. Tod nie im Leben erwartet hatte.
In ihrem Gesicht veränderte sich etwas. Plötzlich wurde es in Höhe der Augen schwarz. Dort entstand eine dicke dunkle Wolke, die vorwallte und den Untoten im Nu umhüllte. Morasso glaubte, seinen eigenen Augen nicht mehr trauen zu können. Wo die seltsame Frau stand, gab es überhaupt keine Helligkeit mehr. Nur das tiefe Schwarz. Sie hatte der Umgebung das Licht praktisch entzogen. Ein unwahrscheinliches Phänomen, das selbst ein Mann wie Dr. Tod noch nicht gesehen hatte.
Für einige Sekunden hielt sich die Wolke noch dicht über dem Boden, dann verschwand sie ebenso schnell, wie sie erschienen war, und nur die Frau mit den langen Haaren stand noch dort.
Der Zombie war verschwunden!
Morassos Mund bewegte sich. Mit dem Ärmel fuhr er über seine Stirn, denn dort hatte sich Schweiß angesammelt, und er mußte zugeben, daß ihn die Vorgänge geschockt und betroffen gemacht hatten.
Auf seiner Insel war es geschehen. Auf dieser Enklave des Bösen, die er bisher für unantastbar gehalten hatte. Daß es auch anders sein konnte, hatte man ihm bewiesen. Morasso war ein wenig durcheinander. Gleichzeitig arbeitete sein Gehirn auf Hochtouren.
Wer hatte ihm diese Suppe eingebrockt? Und wer vor allen Dingen schaffte es, so auf die Insel zu kommen und sich seinen Dämonen zu stellen, ohne umgebracht zu werden. Diese Frau mußte ungemein mächtig sein. Mächtiger jedenfalls als viele andere Dämonen, die Morasso kannte. Aber sie kannte er nicht, hatte nie von ihr gehört, und sie drehte sich jetzt voll der Kamera zu, als hätte sie das Objektiv entdeckt. Zum erstenmal sah Dr. Tod ihr Gesicht genauer. Und da waren es die Augen, die ihm besonders auffielen. Zweifarbig.
Aber seltsam auf ihre Art und Weise. Eine Hälfte grün, die andere schwarz. Augen, die es auf der Erde normalerweise nicht geben konnte, und Dr. Tod gelangte zu der Überzeugung, daß er es in der Tat mit einem gefährlichen dämonischen Wesen zu tun hatte. Gefährlich auch für ihn?
Das war die Frage, denn er konnte sich nicht vorstellen, daß diese Nackte mit den langen Haaren als Freund gekommen war. Dann hätte sie die Zombies nicht vernichtet.
Da flog die Tür auf.
Es gab nur eine, die unangefochten Zutritt zu Solo Morassos Raum hatte. Pamela Scott, auch Lady X genannt. Die ehemalige Terroristin und jetzige Vampirin war Morassos großer Rückhalt, und er hatte sich über ihre Treue und Loyalität gewundert. »Hast du gesehen, was…?«
Morasso winkte ab. Er hatte etwas gesehen, das ihn in seinen Bann schlug. »Da, was ist das?«
Rasch trat Lady X näher. Auch sie schaute jetzt auf den Schirm, der klar und deutlich die Szene wiedergab. Etwa aus zweifacher Menschengröße rieselte Staub nach unten. Schwarzer Staub, der wie Mehl wirkte, sich auf den Boden niederlegte und vom nächsten Windstoß hochgewirbelt wurde.
Morasso zog die richtigen Schlüsse. »Das war er…«
»Wer?«
»Der Zombie. Er ist zu Staub geworden!«
Lady X verschloß ihren Mund so hart, daß die Lippen zwei schmale Striche bildeten. Ihre Wangenmuskeln zuckten.
Auch ohne es ausgesprochen zu haben, wußte Morasso, daß Lady X ähnliche Gedanken plagten wie ihn.
»Kennst du sie?« fragte Dr. Tod.
»Nein.«
Morasso beobachtete weiter den Monitor. »Du hast sie wirklich noch nie gesehen?«
»Wenn ich es dir sage!«
»Wer kann sie denn sein?«
Lady X lachte rauh. »Wir werden sie fragen, darauf kannst du dich verlassen.«
Normalerweise hätte Dr. Tod sofort zugestimmt. Hier jedoch reagierte er vorsichtiger. »Ich weiß nicht so recht. Auf jeden Fall müssen wir auf der Hut sein. Wie sie mit dem Zombie umgegangen ist, gibt mir zu denken.«
»Xorron wird sich rächen!«
Dr. Tod erhob sich. »Bisher habe ich von ihm noch nichts gesehen.« Er hatte aber erkannt, daß sich die Frau dem Bunkereingang näherte, diesem gewaltigen Stahltor, das sich nur von innen her öffnen ließ und dann den Weg in das unterirdische System freigab.
Dieser Bunker war ein Geschenk des Himmels oder besser gesagt der Hölle
Weitere Kostenlose Bücher