0229 - Herrin der Dunkelwelt
gewesen. Irgend jemand hatte ihn im Zweiten Weltkrieg angelegt. Die meisten unterirdischen Gänge waren deshalb schon vorhanden gewesen, doch Solo Morasso hatte ihnen den letzten Schliff gegeben und vor allen Dingen eine moderne Technik eingebaut.
»Sie will zu uns!« flüsterte Lady X, bewegte ihre linke Schulter und ließ ihren Bräutigam, die Maschinenpistole, herabrutschen. Diese Waffe konnte wahlweise mit geweihten Silberkugeln als auch mit normaler Munition geladen werden, und mit geweihten Kugeln hatte die Vampirin Lady X bereits geschossen. »Soll ich sie empfangen?« fragte die Scott.
»Nein, wir beide.« Morasso war schon gegangen, als er sich umdrehte und noch einmal zurückkehrte.
Er nahm den Würfel an sich, schaute ihn für einen Moment an und nickte entschlossen. Die Fremde würde sich wundern…
***
Ich glaubte, mich verhört zu haben.
»Wer steht da draußen?« fragte ich Mrs. Ashley.
»Jerry Shayne.«
»Sie sind sich…«
»Natürlich, Mann!«
Da begann Fred zu schreien. »Aber er kann nicht draußen stehen. Er ist tot, tot, tot…«
Seine Mutter winkte ab. »Was du alles gesehen haben willst. Hast wohl wieder gekifft, wie?«
»Ach, halt die Klappe, Mensch!« Fred stieß sich ab, und bevor wir es verhindern konnten, war er mit zwei Riesensätzen bei seiner Mutter, packte ihre Schultern und schüttelte sie durch.
»Wer, hast du gesagt, steht da draußen? Wer?«
Diesmal griff Suko zu. Von hinten umklammerte er den Hals des Burschen. Ein Ruck, dann hatte der Chinese Fred herumgezogen. Dabei beließ er es nicht. Wuchtig schleuderte er ihn auf das Bett.
»Und jetzt gib Ruhe!« sagte der Chinese scharf.
Fred Ashley lag da und zitterte. Sein Atem ging stoßweise, er murmelte Worte, die niemand so recht verstand.
Ich bedeutete Suko mit einer Kopfbewegung, bei dem Rocker zu bleiben, während mich Mrs. Ashley nach draußen begleitete.
»Der spinnt«, murmelte sie. »Mein eigener Sohn spinnt. Verrückt ist der, wirklich. Aber das kommt davon, wenn der Vater dauernd auf Achse ist, um Geld zu machen. Für dieses Scheiß-Haus hier.«
Ich erlebte eine verbitterte Frau, die sicherlich ihre Probleme hatte, um die ich mich allerdings nicht kümmern konnte.
Auf der Türschwelle blieben wir stehen. Aber da war nichts. Keine Spur von Jerry Shayne. Ich schaute nach links und rechts. Der Rockerboß blieb verschwunden.
»Das verstehe ich nicht«, murmelte die Frau.
»Und Sie haben ihn wirklich gesehen?« forschte ich noch einmal nach.
»Ja, so wahr ich Anne Ashley heiße. Auf meine Augen kann ich mich verlassen. Er war hier.«
»Wie hat er ausgesehen?«
»Was meinen Sie damit?« Sie schaute mich verständnislos an.
»Genau, wie ich gefragt habe. Hatte er seine normale Kleidung an, oder war er nackt?«
»Nackt. Wo denken Sie hin? Die Kerle bringen ja vieles fertig, aber nackt, nein, das kann ich nicht glauben. Er sah aus wie immer. Diese komische Rockerkluft, wissen Sie.«
»Okay, ich habe verstanden.« Die Frau ließ ich stehen. Sie konnte mir nicht mehr helfen. Sie rief zwar etwas hinter mir her, ich aber befand mich schon auf dem Weg, um das Haus zu umrunden. Vielleicht hatte sich Jerry Shayne versteckt. Das war durchaus möglich. Aber wie konnte er existieren, wenn er zu Staub zerfallen war?
Bevor ich um die Hausecke ging, warf ich noch einen Blick zurück. Mrs. Ashley stand vor der Tür, beide Hände hatte sie in die Seiten gestemmt. Auf ihrem Gesicht glaubte ich, ein kaltes Grinsen zu sehen. Hatte sie mich doch auf den Arm genommen?
Ich überlegte nicht mehr weiter, sondern schritt an der Schmalseite des Bungalows vorbei. Hier stand die Garage. Das Kipptor war nicht geschlossen. Zur Hälfte stand es hoch. Ich konnte in eine etwas düstere Garage schauen und glaubte, an deren Ende eine Bewegung zu sehen. Sofort blieb ich stehen.
Mit der linken Hand umfaßte ich den Griff, mit der rechten zog ich meine Beretta.
Das Tor quietschte häßlich, als ich es in die Höhe schob. Wesentlich mehr Licht fiel in die Garage hinein und erreichte auch die Rückwand, wo ich eine menschliche Gestalt sah. Sie trug eine Lederweste, ein normales Hemd, eine Hose aus Leder und rührte sich nicht. Jerry Shayne!
Mrs. Ashley hatte also nicht gelogen. Shayne griff mich nicht an. Er stand nur da, hatte die Arme und die Beine gespreizt, und er erschien mir ein wenig düster. Vielleicht lag es auch an der helleren Garagenwand in seinem Rücken.
Angespannt schritt ich tiefer in die Garage hinein. Ich rechnete damit,
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