023 - Das Kastell der Toten
stand Tessa de Conti und lächelte.
Ein sanftes, spöttisches Lächeln, an dem die gelben Augen keinen Anteil hätten...
***
Für einen Moment glaubte Dave, seine Nerven lägen entblößt auf der Haut.
Er starrte das Mädchen an.
Das Mädchen, das er geliebt hatte.
Tessa...
»Wo ist sie?« fragte er heiser. »Wo ist die Katze?«
»Eine Katze?« Um Tessas Mundwinkel zuckte es. »Wovon sprichst du? Hier ist keine Katze.«
Dave presste die Lippen zusammen.
Sein Blick irrte umher. Nein, hier war keine Katze. Aber hier gab es auch kein Loch, durch das das Tier hätte entkommen können. Die blaue Kartäuserkatze musste sich in Luft aufgelöst haben oder...
Tessas gelbe Augen funkelten. Sie lächelte, zeigte ihre weißen spitzen Zähne — und Dave wusste, dass das Ungeheuerliche Wahrheit war.
Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. Kalter, klebriger Schweiß überzog seine Haut. Sein Herz hämmerte, und er spürte die tödliche Gefahr wie einen Eishauch.
Er musste die Nerven behalten. Durfte kein falsches Wort sagen.
»Ich bin ein bisschen durch die Berge gefahren, weil ich nicht schlafen konnte«, murmelte er. »Und da sah ich die kleine Katze aus der Pension, in der ich in Cala Correggio gewohnt habe. Ich dachte, das Tier hätte sich verirrt.«
Tessas Lächeln war gleichbleibend sanft. »Katzen verirren sich nicht, Lieber. Du hast dich also ganz umsonst bemüht.«
»Das sehe ich.« Dave schluckte und stellte die Frage, die in dieser Situation normal klingen musste: »Was machst du denn mitten in der Nacht hier, Tessa?«
»Ich konnte ebenfalls nicht schlafen. Da bin ich spazieren gegangen.« Mit einer geschmeidigen Bewegung strich sie sich das blauschwarze Haar aus der Stirn. »Komm, Liebster! Laß uns zurückgehen. Hier ist es ungemütlich.«
Daves Gedanken jagten sich.
Zurückgehen? Zurück nach Montsalve? Alles in ihm sträubte sich dagegen — und gleichzeitig wusste er auch, dass es gefährlich sein würde, abzulehnen.
Tessa wartete auf seine Antwort.
Ihre Augen waren unverwandt auf ihn gerichtet, groß und hell wie Bernstein. Flirrende Funken tanzten darin. Dave hatte das Gefühl, dass ihm der Blick dieser Augen wie ein Messer unter die Haut ging, ein kaltes, tödliches Messer, und die Angst legte sich wie ein eiserner Ring um seine Brust.
»Okay«, sagte er gepresst. »Ich hole nur meinen Wagen und ...«
»Deinen Wagen kannst du immer noch holen. Komm, Liebster, laß uns gehen. Ich kenne eine Abkürzung.«
»Aber...«
»Komm«, flüsterte sie nur lockend. »Komm...«
Dave presste die Zähne zusammen.
Der Gedanke an das, was ihn auf Montsalve erwarten mochte, war wie eine würgende Schlinge.’ Und was erwartete ihn, wenn er sich weigerte? Björn Springdaals blutiger, zerfetzter Leichnam tauchte wie eine Vision vor ihm auf. Dann schob sich Marcellos Gesicht dazwischen. Marcello, der Diener. Marcello, dessen stummen Gehorsam, dessen Angst er jetzt verstand ...
»Liebst du mich nicht mehr, Dave?« fragte Tessa leise und traurig.
Er schreckte auf.
»Doch«, murmelte er. »Doch, Tessa, ich liebe dich.«
»Dann ist es gut. Dann komm! Wir werden glücklich sein.«
Dave folgte ihr.
Sie führte ihn über einen Pfad, von dem sie jeden Stein zu kennen schien. Ab und zu glaubte er, zwischen den Felsen huschende Schatten zu sehen. Seine Kopfhaut kribbelte, Angst krallte sich in ihm fest — aber er versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass er einigermaßen sicher sei, solange er sich Tessas Wünschen nicht widersetzte.
Eine halbe Stunde später hatten sie Montsalve erreicht.
Das Schloss war immer noch leer. Nur im Hof trieben sich die Katzen herum. Dave wäre am liebsten geflohen, kopflos davongerannt — aber er zwang sich, Tessa ins Haus zu folgen.
Sie lächelte ihn an. »Geh schon auf dein Zimmer, Liebster. Ich bringe dir einen Whisky. Und danach wirst du bestimmt schlafen können.«
Dave nickte nur.
Der Weg durch die langen Flure des Schlosses war wie ein Alptraum. Er lauschte, glaubte ständig, ein leises Fauchen oder das Tappen von weichen Pfoten zu hören. Aufatmend schloss er die Tür seines Zimmers hinter sich, durchquerte den Raum und riss das Fenster auf.
Nachtluft wehte herein. Dave atmete tief. Ein paar Minuten lang blieb er mit geschlossenen Augen stehen und versuchte, seine aufgepeitschten Nerven zu beruhigen.
Er musste hier heraus.
Wenn er nicht: wie Marcello enden wollte, musste er es wenigstens versuchen.
Vielleicht gelang es ihm, Tessa in Sicherheit zu
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