023 - Der Flug der Phaeton
bestimmen. Wieder versagte der große, tischförmige Bildschirm seinen Dienst. Der Kapitän fluchte und trat gegen die Konsole. In ihrem Innern knisterte es unwillig, dann wurde der Bildschirm wieder hell. Chan war nähergetreten.
»Hier sind wir, und genau hier sollte die Station liegen.« ABC deutete mit seinem Pfeifenstiel auf einen Punkt, der wenigstens dreißig Kilometer von der PHAETON entfernt in den Bergen lag. »Wenn sich dort nicht bald jemand meldet, muss von uns einer hin. Kann ich auf Sie rechnen? Sie haben die meiste Erfahrung mit Außenteams.« Er sah Chan fragend an.
»Natürlich, aber wir sollten bald los. Die Sauerstoffrecyclinganlage schafft es nur noch mit Mühe, die nötige Atemluft für die Passagiere herzustellen. Vielleicht finden wir in der Station etwas, das unser Überleben sicherstellt. Wie wir das transportieren sollen, ist mir allerdings schleierhaft.«
Chandler nickte nur bestätigend und konzentrierte sich wieder auf seine Karten.
»Wir haben Kontakt!« Jeans Stimme überschlug sich. Alle Augen richteten sich auf ihn. Fieberhaft tippte der Funker auf seine Sensorflächen. »Es ist nur eine schwache Trägerfrequenz auf Normalfunk.«
Plötzlich war in dem Rauschen der eingebauten Lautsprecher eine verzerrte Stimme zu vernehmen: »Himmel, Herrgott, wenn’s euch jetzt net bald meldets, dann fahr’n ma wieder z’ruck!«
Einige Sekunden herrschte verblüffte Stille im Cockpit, dann brauste ein allgemeiner Jubel auf. ABC schlug Chan so stark auf die Schulter, dass dieser beinahe in die Knie ging, und Jean standen Tränen in den Augen, als er ins Mikrofonfeld sprach:
»Hier spricht Mechanics-Linienraumer PHAETON. Mit wem sprechen wir? Können Sie uns helfen?«
Die verrauschte Stimme wurde energisch. »Hier spricht Hauptfeldwebel Müller von Flibo-Omega. Schalten Sie sofort auf geringste Energie! Wir können uns nicht leisten, entdeckt zu werden! Allerdings kennt offensichtlich schon die halbe Galaxis unsere ›Geheimstation‹ und unsere Frequenzen. Schaut’s mal aus eurem Fenster. Ich hab’ alle unsere Fahrzeuge in Marsch gesetzt, um euch zu helfen. Macht alles zum Ausschleusen bereit. Zuerst die Verletzten. Mir ham auch zwei Sanitätsfahrzeuge dabei.«
Chan eilte an den Rand der Kuppel und sah eine kleine Armada von Halbkettenschleppern, die lange Staubfahnen hinter sich herziehend näher kamen. Er konnte es noch gar nicht fassen.
Sie waren gerettet.
9. Das Geheimprojekt
»Guten Tag meine Herren, ich begrüße Sie auf Flibo-Omega. Sie werden Verständnis haben, dass dies eine militärische Geheimstation ist und Sie nicht alle Anlagen betreten können. Aber nehmen Sie doch erst mal Platz. Müller, geben Sie den Herren etwas zu trinken!«
Mit den ersten Halbkettenfahrzeugen, die sich auf der Venus als ideale Allroundfahrzeuge bestens bewährt hatten, waren Chandler, Chan und die restliche Crew nach Flibo-Omega gekommen. Chandler wollte anfangs seine PHAETON nicht verlassen, aber Müller hatte sehr nachdrücklich darauf bestanden. Während sich Müllers Leute um die PHAETON kümmerten, hatte er die Crew auf dem schnellsten Weg in die nun nicht mehr so geheime Geheimstation gebracht. Dicht gedrängt im Inneren des Halbkettenfahrzeugs hatten sie den Krater verlassen und auf abenteuerlich steilen Pisten die Maxwell Montes erklommen. Ihre Fahrt schien Ewigkeiten gedauert zu haben, aber schon nach knapp einer Stunde waren sie angekommen. Von der Station war nichts zu sehen gewesen. Müller war ungebremst auf einen Steilhang zugerast. Schon hatte Chan ihm ins Steuer greifen wollen, als er im letzten Augenblick die Öffnung eines gut getarnten Außenschotts bemerkt hatte, das sich vor ihnen auf einen Impuls Müllers hin geöffnet hatte.
Nun saßen sie im Büro von Oberst Kruger und Müller stellte, geübt durch jahrelanges Maßkrugstemmen, Gläser mit Getränken vor die Besatzung.
»Es wird noch etwas dauern, bis alle Passagiere hierher gebracht sind. Wie haben leider zu wenige Fahrzeuge. Mein Gott, ich hatte nicht mit so vielen Menschen gerechnet! Ich habe befohlen, allen Quartiere bereitzumachen. Aber ich fürchte, wir werden die meisten auf Gängen und in Notbetten in den Lagerhallen unterbringen müssen. Wir sind nicht auf so viele Gäste vorbereitet.«
»Außerdem wird’s mit der Versorgung eng«, meldete sich Müller, der sich gerade ächzend in einen Sessel gezwängt hatte. »Die Atemluft reicht noch für Jahre, dank modernster Recyclinganlagen, aber die
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