023 - Der grüne Bogenschütze
Nummer vierundzwanzig, einer großen Villa, die einen menschenleeren Eindruck machte.
Die Klingel funktionierte nicht, und erst auf heftiges Klopfen hin erschien eine alte Frau.
»Monsieur empfängt nicht«, sagte sie auf französisch.
»Ich werde erwartet und habe mich telegrafisch angemeldet.«
Nun wurde die Frau freundlicher.
»Oh, natürlich, ich weiß. Kommen Sie bitte mit.«
Sie führte ihn die Treppe hinauf und klopfte an eine Tür.
Das Zimmer war lang und sehr schmal. An der einen Wand standen hohe Bücherregale, die andere war mit Teppichen behängt. Durch das einzige, bunte Glasfenster fiel spärlich etwas Tageslicht ein.
John Wood saß am Schreibtisch. Er erhob sich sofort.
»Sie sind also trotz des schlechten Wetters gekommen? Nehmen Sie bitte Platz, Mr. Holland. Damit Sie nicht erst zu fragen brauchen - ich bin natürlich gern bereit, die Artikelserie zu schreiben, die Sie erwähnten. Es ist mir lieb, wenn meine Pläne der Öffentlichkeit bekanntwerden, und ich scheue mich nicht, rücksichtslos für mich Reklame zu machen.«
Während sie ein paar Einzelheiten, Länge und Inhalt der Artikel besprachen, brachte die alte Frau Kaffee und Biskuits herein.
»Wie ruhig und friedlich Sie es hier haben«, meinte Spike. »Genau die richtige Atmosphäre zum Schreiben!«
John Wood lächelte nachsichtig.
»Ich würde Sie ganz gern nach oben führen, um Ihnen die Ruhestörer zu zeigen, aber sie schlafen gerade.«
»Haben Sie denn Kinder hier?« fragte Spike erstaunt.
»Eine ganze Menge. Dreißig. Hier sind allerdings nur die gesunden Kinder. Das Sanatorium befindet sich in einem ändern Stadtteil.«
Sie unterhielten sich lange über Kinder und Fürsorgeprobleme. Wood schien sich für nichts anderes zu interessieren. Endlich versuchte Spike das Thema zu wechseln.
»Sie haben, Mr. Wood, als wir uns das letztemal trafen, eine Bemerkung gemacht, die mich beschäftigte. Ich glaube, Sie wissen mehr über Abel Bellamy, ab Sie mir sagen wollten. Mir scheint, Sie schätzen ihn nicht besonders?«
Mr. Wood spielte mit einer kleinen Statue, die auf seinem Schreibtisch stand.
»Ich weiß genug, um ihn an den Galgen bringen zu können«, sagte er, ohne aufzublicken.
»Sie wissen genug, um ihn ...« wiederholte Spike verwirrt. »Ist das nicht etwas übertrieben?«
Wood sah ihm jetzt offen ins Gesicht.
»Möglich, daß meine Behauptung gewagt ist. Aber ich spreche ja im Vertrauen mit Ihnen.«
Spike war gewöhnlich nicht entzückt, wenn ihm Mitteilungen gemacht wurden, die er nicht veröffentlichen sollte. Dieser Fall jedoch interessierte ihn auch persönlich.
»Zwar habe ich keine Beweise. Trotzdem weiß ich genug, daß ihm der Prozeß gemacht werden könnte.«
»Wenn ich an Ihre Arbeit denke«, meinte Spike, »vermute ich, daß es damit zusammenhängt. Handelt es sich um Kinder?«
»Ja, er hat ein Kind umgebracht. Ob allerdings er oder einer seiner Komplicen dafür verantwortlich ist, weiß ich nicht. Abel Bellamy haßt Kinder. Er würde seinen letzten Dollar lieber ins Meer werfen, als mit ein paar Cents einem Kind zu helfen.«
»Können Sie mir nicht mehr über die Sache erzählen?«
»Es war in Amerika, vor vielen Jahren. Aber ich fürchte, daß ich schon zuviel gesagt habe. Früher oder später werden die Beweise in meiner Hand sein. Ich habe meine Mittelsmänner, die schon seit zwei Jahren eine Spur verfolgen.«
»Hatte Bellamy nicht einen Streit mit dem Vormundschaftsgericht in Amerika?«
»Ich weiß davon, aber es hat nichts mit dem Fall zu tun, den ich meine. Es gibt eben eine ganze Reihe von Untaten, für die er verantwortlich ist. Bellamy ist ein brutaler Kerl ohne Skrupel.«
Spike wagte erst jetzt die Frage zu stellen, die ihm besonders wichtig war.
»Glauben Sie, daß es sich beim grünen Bogenschützen um eines seiner Opfer handelt?«
»Die Leute glauben, der grüne Bogenschütze sei die Erfindung eines Zeitungskorrespondenten.« Wood lächelte spöttisch. »Seinen Namen zu nennen, verbietet die Höflichkeit.«
»Ich würde mich glücklich schätzen, als Verfasser einer Geschichte zu gelten, die ganz England zum Narren hält. Leider aber ist der grüne Bogenschütze nicht mein Phantasieprodukt.«
Spike erzählte vom letzten Erscheinen des Bogenschützen, und John Wood fragte ihn genau nach allen Einzelheiten aus.
»Wer sah das Gespenst noch, mit Ausnahme von Bellamy?«
»Niemand - vielleicht hat er sich die Sache selbst ausgedacht.«
»Das glaube ich nicht. Der grüne Bogenschütze
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