023 - Die Vampir-Klinik
verwittertem Gesicht. Niemand kann es mir übelnehmen, daß ich auch ihn für nicht ganz dicht hielt, als ich bemerkte, daß er mit Pfeil und Bogen bewaffnet war.
Hatte hier irgendwo eine Klappsmühle ihre Tore geöffnet? Ich wurde sehr schnell eines Besseren belehrt, denn mit einigen gezielten Fragen brachte ich Elias McCleary dazu, mir zu erzählen, was aus Dodds Frau Melusine geworden war und wer dieses blutgierige Ungeheuer aus ihr gemacht hatte.
Vielleicht hätte jemand anders diese beiden Männer nun erst recht für Irre gehalten, doch ich tat es nicht mehr. Ich glaubte McCleary jedes Wort und nahm ihm auch ab, daß er ein Vampirjäger war.
Auch den Eichenbogen und die Eichenpfeile sah ich jetzt mit anderen Augen, und ich war davon überzeugt, daß McCleary damit einen Vampir vernichten konnte.
Wieder einmal hatte ich die Erfahrung machen müssen, daß man sich vor voreiligen Schlüssen hüten sollte. Vampire in dieser Gegend! Das zwang mich natürlich, sofort umzudisponieren.
Ganz klar, daß ich den netten Abend zu dritt ins Wasser fallen lassen mußte. Damit würde ich Vicky Bonney zwar keine Freude machen, aber diese Sache mußte Vorrang haben.
»Hören Sie, was halten Sie davon, wenn mein Freund und ich Sie bei Ihrer Suche unterstützen?« fragte ich die beiden Männer.
Dodd warf einen Blick in meinen leeren Wagen. Jetzt kam ich ihm wohl so vor, als würde ich von »Harvey« reden. Ich erklärte, daß ich Vladek Rodensky von der St.-Mary’s-Klinik abholen würde.
»Acht Augen sehen mehr als vier«, sagte Elias McCleary.
»Sehr richtig«, pflichtete ich ihm bei.
»Aber die Sache kann für Sie verdammt gefährlich werden, Mr. Ballard.«
Ich ließ ihn nicht länger darüber im unklaren, mit wem er es zu tun hatte. Als er erfuhr, daß ich Privatdetektiv war und mich auf den Kampf gegen Geister und Dämonen spezialisiert hatte, nahm er mein Angebot erfreut an.
Wir vereinbarten, uns in einer halben Stunde auf dem Parkplatz der Klinik zu treffen, und dann wollten wir das Gebiet zu viert durchstreifen. Wenn wir Glück hatten, entdeckten wir Melusine Dodd, bevor sie ihren Blutdurst stillte, und ganz besonders hätten wir uns darüber gefreut, wenn uns dabei auch Torack in die Hände gefallen wäre.
Nichtsahnend war ich losgefahren, zu einem harmlosen Rendezvous nur – und nun hatte ich einen neuen Fall am Hals. Ich kehrte rasch zu meinem Wagen zurück und stieg ein.
Während ich die Fahrt zur Klinik fortsetzte, tat ich zwei Dinge: Ich hielt sehr aufmerksam die Augen offen und rief bei mir zu Hause über das Autotelefon an.
»Tisch ist bestellt«, meldete Vicky Bonney. »Mir war nach chinesischem Essen, deshalb entschied ich mich für das ›Golden Asia‹.«
»Bestell den Tisch wieder ab«, sagte ich trocken. »Aus dem netten Abend zu dritt wird nichts, Vicky. Tut mir leid.«
»Ist Vladek verhindert? Dann könnten doch wir beide… Wir waren schon eine Ewigkeit nicht mehr zusammen essen, Tony.«
»Wir holen’s nach. Ein andermal.«
»Was gefällt dir an heute abend nicht?« fragte Vicky leicht eingeschnappt.
Ich erklärte es ihr.
»Das ist natürlich etwas anderes«, sagte sie. »Ich rufe das ›Golden Asia‹ gleich an.«
»Ich danke dir für dein Verständnis«, sagte ich und schob den Hörer in die Halterung.
Blitzschnell überdachte ich die Situation, und ich kam zu dem Schluß, daß wir Charlton Dodd ausbooten mußten. Der Mann war das schwächste Glied in unserer Kette und somit eine Gefahr für sich selbst.
Dodd war zu Hause besser aufgehoben. Er sollte uns die gefährliche Arbeit tun lassen. Einem Vampir war er nicht gewachsen, das hatte er bereits bewiesen.
Die Straße krümmte sich nach links, und wenig später nach erblickte ich ein altes Backsteingebäude – die St.-Mary’s-Klinik.
Vladek Rodensky würde Augen machen, wenn er erfuhr, was für eine Neuigkeit ich mitbrachte.
***
Elias McCleary dachte wie ich, und er versuchte es Charlton Dodd so schonend wie möglich beizubringen. Er schlug vor, zu seinem Haus zurückzukehren, und da Dodd davon überzeugt war, daß McCleary stets die richtige Entscheidung traf, folgte er ihm zu dessen Gebäude, ohne eine Frage zu stellen.
Das änderte sich erst, als der Vampirjäger mit dem Bogen auf Dodds Wagen wies und sagte: »Steigen Sie ein und fahren Sie heim, Mr. Dodd.«
Charlton Dodd blickte ihn entgeistert an. »Aber… aber warum denn? Wir wollen doch Melusine suchen.«
McCleary sah ihm ernst in die Augen. »Möchten Sie
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