0231 - Wenn es Nacht wird in Soho
los, der bereits gefährlich nahe gekommen war. Nur wenige Schritte trennten sie noch von dem weißen Mercedes-Leihwagen.
Sie überwandt die kurze Distanz laufend.
Die Fahrertür war offen, den Schlüssel fürs Zündschloß hatte sie bereits während der letzten Meter aus der Tasche gekramt. Mit Schwung warf sie sich hinter das Steuer und schlug die Tür hinter sich zu. Sie hieb den Zündschlüssel ins Schloß und drehte ihn um. Während das mahlende Geräusch ertönte, warf sie gehetzte Blicke aus dem Seitenfenster.
Der Schatten floß gerade den gegenüberliegenden Rinnstein hinunter und erreichte die Fahrbahn.
Das Aufheulen des PS-starken Motors zwang Nicole, sich auf die Abläufe im Fahrzeug zu konzentrieren. Sie trat die Kupplung in der Aufregung nicht ganz tief genug durch und schaltete deshalb recht geräuschvoll in den ersten Gang. Anschließend ließ sie die Kupplung viel zu schnell kommen, hatte aber den rechten Fuß auf dem Gashebel fast bis zum Anschlag durchgedrückt, so daß ihr ein überzeugender Kavalierstart gelang.
Wie eine unförmige Rakete schoß der Mercedes von seinem Parkplatz weg.
Nicole ging zwar sofort wieder merklich vom Gas runter, doch konnte sie von Glück sagen, daß die Gegend wirklich wie ausgestorben dalag. Kein Verkehr in dieser Seitenstraße. Weder Autos noch Fußgänger.
Allmählich begann Nicole zu bezweifeln, daß diese Gottverlassenheit rein zufällig war.
Unwillkürlich blickte sie in den Rückspiegel.
Von dem Haus hatte sie sich mittlerweile etwa fünfzig Meter entfernt. Das Schattengebilde ließ sich nicht mehr ausmachen.
Nicole atmete tief durch. Sie hatte noch einmal Glück gehabt. Das hätte ins Auge gehen können. Die Macht des dämonischen Alten schien jedoch nur auf die nächste Umgebung des Hauses beschränkt zu sein.
Eine Telefonzelle! lenkte eine innere Stimme ihre Gedanken ab.
Sofort kehrte die Nervosität zurück.
Was war mit Zamorra? Lebte er noch? Die Kugel des Alten mußte ihn getroffen haben, aber wie schwer war seine Verletzung?
Die Französin nagte verzweifelt an ihrer Unterlippe. Ihre Blicke jagten von einer Straßenseite zur anderen, während sie das Auto durch die menschenleeren Häuserschluchten steuerte.
Selbst hier mußte es doch eine einzige verdammte Telefonzelle geben…
Etwas Kaltes berührte ihren linken Knöchel. Sie bewegte unwillig den Fuß. Die Berührung kam ihr zunächst kaum zu Bewußtsein. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt der Suche nach Hilfe.
Die Kälte erfaßte ihren ganzen linken Fuß und wanderte höher. Nach einer Weile wich das Gefühl der Kälte und machte durchdringendem Schmerz Platz.
Da erst reagierte Nicole.
Ihr rechter Fuß wechselte auf das Bremspedal. Der Wagen wurde langsamer, blieb stehen - und Nicole würgte gekonnt den Motor ab.
Weil ihr linker Fuß, dem sie den Befehl erteilt hatte, die Kupplung durchzutreten, nicht reagierte! Sie hatte plötzlich kein Empfinden mehr darin.
Mitten auf der Straße blieb der Mercedes stehen.
Im Innern des Wagens glaubte Nicole im selben Augenblick, den Verstand verlieren zu müssen.
Ihr Blick war an ihr herabgewandert, um den Ursprung des jähen heftigen Schmerzes zu erkunden. Was sie sah, peitschte Panik in ihr auf.
Um ihren linken Fuß hatte sich eine unruhig zitternde, schwarze Nebelmasse gelegt, die die Umrisse einer menschlichen Hand besaß…
Da begriff sie ihren schrecklichen Irrtum.
Der unheimliche Schatten, der sie verfolgt hatte - war bei ihr im Wagen!
Und er war gekommen, sie zu töten!
***
Quirileinen beugte sich vorsichtig über die reglos am Boden des Maskenzimmers liegende Gestalt. Den Revolver hielt er schußbereit, während er den Mann, der zusammengekrümmt auf der Seite lag, jetzt auf den Rücken drehte, so daß er sein Gesicht studieren konnte. Gleichzeitig sah er auch das Einschußloch in der rechten Brustseite des Mannes, aus dem ein unermüdlicher dünner Blutstrom floß.
»Schade«, murmelte Quirileinen, »daß du so spät zu mir gekommen bist. Die DREIZEHN ist komplett, ein Austausch nicht mehr möglich. Aber ich spüre, daß du für meine Zwecke ein geeigneter Mittler gewesen wärst. Besser als dieser Weddyn. Du verfügst über latente Parafähigkeiten. Mit diesem Kraftpotential hätte ich den Dämon wahrscheinlich noch sicherer kontrollieren können…«
Der Alte unterbrach seinen Redefluß.
Ein Teil seines Bewußtseins steckte in dem Schatten, der die flüchtige Frau verfolgte. Dieser Schatten wechselte in diesem Augenblick in das
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