0235 - Disco-Vampir
besser gehen. Es wird bald hell!«
»Helligkeit! Die Sonne…«, sagte der Vampir schaudernd. »Ja, du hast recht. Ich werde gehen. Schlaf gut… ich schlafe auch… in einer alten Römergruft!«
»Und wie soll es mit uns weitergehen?« fragte Regina Stubbe.
»Ich komme wieder! Am Abend, wenn die Sonne untergegangen ist!« versprach der Vampir. »Ich möchte wieder in dieses seltsame Ballhaus, das ihr eine Discothek nennt. Es gefällt mir dort!«
»Demnächst macht eine Disco auf, die das ›Odeon‹ in den Schatten stellt!« erklärte Regina Stubbe. »Aber das ›Transgalaxis‹ ist sicher sehr teuer, das kann ich mir nicht leisten!«
»Wenn du hinein möchtest, kommst du auch hinein!« versprach Heinleyn. »Ich habe noch einige Dukaten in meinem Geldkätzlein, die heute bestimmt sehr viel wert sind. Hier, nimm sie und tausche sie um. Und nun, lebe wohl bis zur nächsten Nacht!« Mit diesen Worten warf der Vampir seinen weiten Mantel über sich. Im gleichen Moment war er verschwunden.
Mit offenem Mund starrte Regina Stubbe auf die Stelle in ihrem Zimmer, wo eben noch Tobias Fürchtegott Heinleyn gestanden hatte. Und sie nahm sich vor, am Tage eine größere Portion Blutwurst zu kaufen…
***
Samuel Rosenbaum nannte sich selbst Antiquitätenhändler. Für die Bewohner von Trier jedoch war er ein Trödler, bei dem man Dinge, die nicht mehr zu brauchen waren, los wurde. Niemand wußte allerdings, daß die Leute auf großen Flohmärkten in Mainz oder Frankfurt das, was die Bürger von Trier als Plunder ansahen, für teures Geld kauften.
Keine Speicherentrümpelung, wo Samuel Rosenbaum nicht dabei war. Keine Haushaltsauflösung, bei der er nicht etwas für sein Geschäft fand. Aber heute schien er sich verkalkuliert zu haben.
Gewiß, die alten Klamotten aus dem Kostümfundus des Theaters waren billig gewesen. Aber Rosenbaum hatte den Kauf getätigt, ohne die Ware gesehen zu haben. Er hatte gehofft, irgendwelche Römerkostüme, Ritterrüstungen oder Operettenuniformen dabei zu haben.
»Ojoijoi, Gewalt!« schimpfte er, während er in den Kartons wühlte. »Schwarze Radmäntel! Nur schwarze Mäntel aus dem vorigen Jahrhundert. Nichts dabei, was die Leute zum Kostümfest tragen.«
»Oijojoi, Gewalt! Schlechtes Geschäft. Das werden Ladenhüter. Wer wird so was anziehen. Der ganze Fummel würde ausreichen, um eine Armee von Rabbis neu einzukleiden… !«
In diesem Augenblick läutete die Ladenglocke. Samuel Rosenbaum fuhr herum. Kundschaft! Und er lamentierte hier wie Hiob.
»… ein Schneidermeister in der Domgasse!« hörte Rosenbaum einen der beiden Eintretenden sagen. Es waren junge Leute in hochmodischer Kleidung. Sie erinnerten Rosenbaum an Bilder in Illustrierten und Werbungen für Textilien. Als ›Popper‹ wurden sie da bezeichnet.
»Wir sind in der Domgasse!« erklärte der andere. »Und Textilien scheint es auch zu geben. Wenn dieser seltsame Typ namens Toby nicht gelogen hat!«
Es war mm wirklich ein Zufall, daß Samuel Rosenbaum den Laden innehatte, bei dessen Besitzer Tobias Fürchtegott Heinleyn in der Zeit seines ersten Lebens arbeiten wollte.
»Die jungen Herren wünschen?« dienerte der Trödler. »Es gibt nichts, was es bei Samuel Rosenbaum nicht gibt.«
Es dauerte einige Zeit, bis die beiden Popper erklärt hatten, was für ausgefallene Kleidung sie suchten. Denn der Begriff »Radmantel« war ihnen selbstverständlich fremd. Sie redeten von einer »Graf-Dracula-Kleidung«, ein Begriff, mit dem Rosenbaum nichts anzufangen wußte.
Enttäuscht wollten die beiden sich zur Tür wenden, als ein Schrei laut wurde.
»Da… das meinen wir!« stieß einer der Jungen hervor.
»Was… den alten Fummel… diese hervorragende, dekorative Kleidung, wollte ich sagen!« entfuhr es Samuel Rosenbaum, der sich sofort geschickt verbesserte.
»Ojojoi, Gewalt!« war sein Kommentar, als die beiden Popper mit den schwarzen Mänteln über ihren modischen Jacken verschwanden. Unbegreiflich, die beiden hatten für beide Stücke den Preis gezahlt, den Samuel Rosenbaum für den ganzen Kleiderposten hatte hinlegen müssen. Er pries den Theaterdirektor, der verhindert hatte, daß aus den alten Mänteln und Kleidern Putzlappen gemacht wurden. Sollte sich eine neue Mode anbahnen?
Samuel Rosenbaum war Vollblutgeschäftsmann. Und er hatte einen Riecher für Situationen, in denen es etwas zu verdienen gab.
Aus einem Winkel seines Geschäfts kramte er eine alte, verstaubte Schaufensterpuppe hervor. Augenblicke später
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