0235 - Disco-Vampir
seiner schon leicht angerosteten Ente den Vorzug gab. Den Porsche lieh sich Michael Ullich meist aus, um vor irgendwelchen Mädchen eine große Schau abzuziehen.
Wenige Minuten später schlingerte die Ente mit vier Insassen durch das nächtliche Trier.
***
»…ich bin wirklich ein Vampir!« erklärte Tobias Fürchtegott Heinleyn der gebannt zuhörenden Regina. Sie saßen sich in dem kleinen, aber gemütlich möbelierten Appartement des Mädchens gegenüber.
»Aber… dann müßtest du mich doch anfallen und mir das Blut aussaugen!« sagte Regina Stubbe. Eine Gänsehaut lief über ihren Rücken.
»Ja, zeitweilig möchte ich das. Dann überkommt mich so ein Gefühl. Aber ich kann es nicht… nein… ich kann nicht… und ich will nicht. Ich könnte dir nie etwas Böses tun… !«
»Langsam glaube ich, daß das alles stimmt!« sagte Regina Stubbe nachdenklich. »Was eben dieser Michael Ullich über Professor Zamorra erzählt hat… die Phänomene, die er selbst gesehen hat… ich glaube nicht, daß er gelogen hat. Diese Zwischenwelt der Seelen und Geister, das Reich der Vampire, Werwölfe und Gespenster, scheint tatsächlich zu existieren!«
»Ich weiß nur, daß ich schon einmal gelebt habe!« sagte Toby. »Damals kam gerade die Nachricht durch, daß Kaiser Napoleon auf St. Helena verstorben war. Ich habe es dir ja eben erzählt. Der seltsame Mann, der mich gebissen hat… die durchgehenden Pferde… es ging alles so schnell… dann der lange Schlaf… und das Erwachen in einer anderen Zeit… !«
»Eine Zeit, die du sehr stark beeinflußt hast!« sagte Regina. »Die Leute im ›Odeon‹ scheinen verrückt geworden zu sein. Ich hörte zwei Mädchen davon reden, daß sie in Chelsea und London neuerdings im Vampir-Look herumlaufen. Das scheint so eine Abart der Punker-Mode zu werden. Die beiden waren sicher, daß du in London warst und daß die Idee von dort kommt!«
»Ein sonderbarer Zufall!« murmelte Heinleyn. »Ich kenne den Begriff ›Vampir‹ nur aus den Spinnstuben, wo sich die Mägde gerne Schauerballaden erzählen. Da habe ich die Sage von dem schottischen Lord Ruth wen gehört, der als Vampir innerhalb von vierundzwanzig Stunden das Blut von drei Frauen trinken mußte. Daher weiß ich, daß ein Vampir böse ist!«
»Ja, und du…?« staunte Regina Stubbe.
»Ich kann kein Blut sehen!« gestand Tobias Fürchtegott Heinleyn. »Jedenfalls in den Tagen meines Lebens nicht. Aber es wäre für mich eine entsetzliche Vorstellung, wenn ich dich beißen würde… nein… nein. Das würde ich nie tun… eher würde ich sterben… ich liebe dich, Regina… wie ich damals das Mädchen in Nürnberg liebte, der ich eine Rose und ein Versprechen gab. Sie ist jetzt ganz sicher tot. Aber dich liebe ich noch mehr!«
Regina Stubbe atmete tief durch. Damit hatte sie nicht gerechnet. Die Liebeserklärung eines Vampirs…
»Ja, ich… was soll ich dazu sagen…?« stammelte das Mädchen verwirrt. »Du bist sehr nett, Toby. Und du hast für mich gekämpft. Aber Liebe… ich weiß nicht… !«
In diesem Moment brach der Vampir zusammen. Augenblicklich war Regina Stubbe bei ihm.
»Toby! Was ist? Sag doch was!« rüttelte sie ihn. Heinleyn verdrehte die Augen.
»Ich bin schwach!« stieß er leise hervor. »Die Kräfte verlassen mich. Ich fühle es, daß ich etwas brauche… eine Stärkung… !«
»Blut!« hauchte Regina Stubbe. Sie sah die großen Eckzähne und der letzte Zweifel war wie weggewischt. Toby war wirklich ein Vampir.
»Nur Blut kann dir Kraft geben!« sagte sie.
»Ich kann nicht!« murmelte der Vampir. »Wo sollen wir Blut hernehmen? Nein… nein… ich will dich nicht beißen, um das Verlangen in mir zu befriedigen… ich liebe dich zu sehr… ich widerstehe der Versuchung!« setzte er ermattet hinzu.
»Warte einen Moment!« hatte Regina Stubbe einen Einfall. »Ich habe was für dich…!« Mit wenigen Schritten war sie am Kühlschrank und holte etwas hervor. Nur der Vampir nahm den Duft wahr, der ihm entgegenströmte.
»Hier!« hielt ihm Regina Stubbe ein längliches Etwas entgegen. »Das ist Blutwurst… !«
Heißhungrig schlang der Vampir die Blutwurst herunter.
»Kalt… sie ist so kalt!« jammerte er.
»Das nächste Mal werde ich die Blutwurst nicht wieder in den Kühlschrank legen!« versprach Regina Stubbe.
»Ja… darf ich dich denn Wiedersehen?« fragte Heinleyn, der etwas von seiner steifen Förmlichkeit verloren hatte.
»Ja, vielleicht morgen!« sagte Regina. »Denn du solltest jetzt
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