0236 - Ich ging in die Höhle des Löwen
einmal ein G.-man über den Weg laufen könnte. Stellen Sie sich vor, was ein FBI.-Beamter für ein Gesicht zöge, wenn ich ihm erzählte, daß ich in meinem ganzen Leben noch nie so gesetzeswidrig behandelt worden bin wie von den Leuten des Polizeichefs von Charlesville.« Er nahm die Zigarre aus dem Mund. »Hier geht es korrekt zu und genau nach dem Buchstaben des Gesetzes!« kreischte er. Gleichzeitig schlug er mir mit der freien Hand ins Gesicht.
Walbrun, hatte nicht viel Mumm in den Knochen. Der Schlag schmerzte nicht sehr. Ich grinste und bestätigte: »Es geht enorm korrekt bei Ihnen zu, Chef. Ich habe es gerade gespürt.« Die kleinen Augen des Mannes flackerten. Vom Geschrei ging er zum Flüstern über.
»Du willst mir drohen, du Nichts? Willst mich anzeigen, he? Ich zerquetsch dich wie eine Laus zwischen zwei Fingern.«
Bei unserer ersten Begegnung hatte ich Chester Walbrun für einen Jammerlappen gehalten, und sicherlich war er ein Feigling, aber das schloß nicht aus, daß er zu verbrecherischen Taten fähig war, wenn er sich bedroht und in die Enge getrieben fühlte. Ich begann daran zu zweifeln, ob ich je dieses Haus mit heiler Haut verlassen würde.
»Erklären Sie mir das doch einmal näher!« sagte ich.
Der Polizeichef hob zum zweitenmal die Hand, aber es kam nicht mehr zum Schlag, denn die Tür öffnete sich.
Eine ruhige Stimme wünschte: »Guten Morgen.«
Zwei Männer kamen herein. Sie waren unauffällig und korrekt angezogen. Sie blieben vor Walbrun stehen. Einer von ihnen zeigte auf die noch erhobene Hand.
»Wollten Sie den Mann schlagen, Chef?«
Walbrun ließ die Hand sinken, schrie aber die Männer an:
»Sind Sie verrückt, hier unangemeldet einzudringen. Ich lasse Sie auf der Stelle hinaus werfen.«
»Ich glaube, wir sind berechtigt, Sie ohne große Formalitäten zu besuchen, Mr. Walbrun.« Der Mann wandte sich an seinen Begleiter: »Zeig ihm den Ausweis, Fred!«
Der andere griff in seine Brusttasche und hielt dem Polizeichef von Charlesville einen Ausweis unter die Nase, dessen Format ich gut kannte.
»FBI«, sagte er lakonisch.
***
Dem sicherlich ohnedies zu hohen Blutdruck von Chester Walbrun wurde an diesem Vormittag eine Menge zugemutet. Meine Hartnäckigkeit, die lästige Liebenswürdigkeit seiner Freundin Lil, der Anruf Allan Rusters, schließlich meine Eröffnung, daß Ruster mich für einen G.-man hielt — und als Krönung marschierten zwei echte FBI.-Männer auf. Der letzte Schlag schien zuviel für den dicken Polizeichef zu sein. Auf seiner Glatze erschienen Schweißtropfen. Er wollte etwas sagen, aber er brachte nur ein paar gestammelte Laute heraus.
Der Sprecher der G.-men wandte sich mir zu. Er blickte mir scharf ins Gesicht und fragte:
»Wurden Sie geschlagen?«
Oh, das war ein süßes Gefühl! Vielleicht ist es übertrieben, zu behaupten, ich hätte in diesem Augenblick Chester Walbruns Schicksal in der Hand gehalten. Sicherlich bot mir die Frage des G.-man jede Möglichkeit, dem Dicken einen Berg von Schwierigkeiten zu bereiten.
Ich blickte in Walbruns fettes, schwitzendes Gesicht, Hölle, der Knabe zitterte vor Angst.
Ich bilde mir ein, in den meisten Situationen einen kühlen Kopf zu behalten. Was konnte ich schon groß verdienen, wenn ich Walbrun bei den G.-men in die Pfanne schlug? Die Boys zahlten höchstens mit einem »Dankeschön«. Hingegen war bei dem Polizeichef vielleicht einiges zu holen, wenn ich das Feuerchen unter seinen Füßen warm hielt.
»Nein«, antworte ich, »ich wurde nicht geschlagen.«
Der G.-man lächelte flüchtig.
»Wer sind Sie?«
»Ich heiße Less Harrigan!«
»Und was haben Sie auf dem Kerbholz, mein Freund?«
Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung auf den immer noch sprachlosen Walbrun.
»Der Chef hält mich für einen Bankräuber.«
»Sie sollen die ,Alte Carolina-Bank' ausgeräumt haben?«
»Ja, die Polizei glaubt es, aber selbstverständlich ist es Unsinn.«
Der G.-man wandte sich dem Polizeichef zu.
»Haben Sie schon Beweise gegen den Mann?«
Walbrun riß sich zu einer gestotterten Entgegnung zusammen.
»Ja… das heißt, wahrscheinlich reichen sie nicht aus. — Ich bin nicht genau informiert. — Leutnant Sharkey hat das Verhör geführt. — Ich werde ihn rufen.«
»Das hat Zeit. Mr. Walbrun. Warum vernehmen Sie den Mann in Ihrem Privatbüro? Warum trägt er Handschellen? Warum wird die Unterredung nicht mitstenografiert?«
Die Fragen prasselten auf den Polizeichef ein wie ein Hagelschlag. Mühsam
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