0237 - Der Hehler, der den Tod verkauft
angerufen. Heute Morgen ist dort ein sehr mysteriöser Anruf erfolgt. Ein unbekannter Gangster, der seinen Namen nicht nannte, hat seine Gang verraten. Diese Gang plant angeblich ein Kidnapping hier in New York, und zwar für morgen Vormittag. Um wen es hier geht, wer das Opfer ist und wer die Gangster sind, hat der Anrufer nicht mehr verraten können. Das Gespräch wurde plötzlich unterbrochen, so jäh, dass man in Los Angeles dem Anruf Bedeutung beimisst. Vielleicht hat der Anrufer Pech gehabt und ist von seinen Komplizen ertappt worden. Für uns ist die Lage jetzt alles andere als erfreulich. Sollte es sich bei dem Anruf nicht um einen dummen Streich gehandelt haben, dann ist damit zu rechnen, dass morgen hier in New York ein Kind entführt wird. Alle reichen Leute, alle, die es lohnt zu erpressen, und die Kinder haben, kommen dafür infrage. Es ist unmöglich, alle überwachen zu lassen. Wir wissen von einem geplanten Verbrechen. Wir können nichts dagegen unternehmen. Wir müssen die Hände in den Schoß legen und abwarten, was geschieht.«
Mr. Highs Gesicht war jetzt blass. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Auf den Schultern dieses Mannes ruhte jetzt die ganze furchtbare Last der Verantwortung.
»Ich habe allgemeine Urlaubssperre veranlasst.« Mr. Highs Stimme klang müde »Die nächsten Stunden werden Gewissheit darüber bringen, ob sich jemand einen üblen Scherz erlaubt hat, oder ob der unbekannte Anrufer die Wahrheit gesagt hat. Das Schrecklichste dabei ist die Ungewissheit und die Tatsache, dass wir nichts tun können, dass wir hilflos sind. Ich habe G-men aus Los Angeles angefordert. Fünfzehn Mann werden mit der Mittagsmaschine kommen. Ich werde sie auf den Flughäfen postieren. Viel Sinn hat es nicht, aber vielleicht haben wir Glück, und sie entdecken zufällig einen in Los Angeles registrierten Gangster, dem man ein Kidnapping Zutrauen könnte.«
Phil und ich nickten schweigend. Wir wussten es: Es war eine höllisch unangenehme Lage für den Chef.
Alle blickten auf ihn, alle erwarteten, dass er wirkungsvolle Maßnahmen anordnen würde. Es war, als erwarte man ein Wunder von ihm. Dabei wusste er nicht mehr als wir alle.
***
Jonathan Henry Bakerfield war neunundvierzig Jahre alt, Junggeselle und von unangenehmem Aussehen.
Der kahle Schädel über dem kurzen faltigen Hals rundete sich wie eine Walnuss. Seine schwarzen Knopf äugen hatten einen stechenden Ausdruck, der durch die dicke schwarze Hornbrille eher verstärkt denn gemildert wurde.
J. H. Bakerfield sah kalt aus wie ein Raubfisch. Dazu passte sein weißes Gebiss, auf das er sehr stolz war. Er grinste bei jeder sich bietenden Gelegenheit und bleckte dabei genießerisch die Zähne.
Bakerfield strahlte etwas Gieriges, Profitsüchtiges aus, was viele Menschen ab stieß.
Die Jagd nach dem Dollar ließ den Walnuss-Kopf keinen Augenblick ruhen.
Wenn es um höhere Verdienste, dunkle Geschäfte, Hehlerware oder andere Machenschaften ging, bei denen er seine Schäfchen ins Trockene bringen konnte, dann scheute er keine Mühe. Während seiner Freizeit aber widmete er sich vielen löblichen Beschäftigungen.
Bakerfield war eifriges Mitglied einer Sekte, die der Welt einen dauerhaften Frieden verschaffen wollte. Er führte den Vorsitz in einem Verein zur Pflege der Blumenrabatte im Central Park. Er konnte sich rühmen, hohe Spenden an den Tierschutzverein zu zahlen, und für seine Nachbarn stellte Jonathan Henry Bakerfield das Musterexemplar eines verträglichen Menschen dar.
Bakerfield bewohnte sechs Zimmer in einer Mietskaserne des Riverdale-Viertels der Bronx. Das Haus war dicht am Henry Hudson Parkway gelegen.
Die Polizei wusste genau, dass der Walsnuss-Kopf recht dunkle Geschäfte betrieb. Dennoch genoss er eine Art Narrenfreiheit, was nicht zuletzt dem Umstand zuzuschreiben war, dass er sich in der New Yorker Unterwelt gut auskannte und gelegentlich mittelschwere Gangster ans Messer, das heißt, an die Polizei lieferte. Seine Informationen waren für das zuständige Polizei-Revier von unschätzbarem Wert.
Die Cops vom Polizei-Revier Riverdale wussten das alles. Was sie dagegen nicht wussten, war die Tatsache, dass Bakerfield einen lukrativen Handel mit Feuerwaffen aller Art betrieb.
Von der versilberten Damenpistole, über die Tommy Gun bis zur Elefantenbüchse konnte man alles bei ihm kaufen. Für gute Dollars, versteht sich.
Bakerfield war ein Hehler, der den Tod unter der Hand verkaufte.
Die Dämmerung senkte sich bereits auf
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