0239 - Der Höllenwurm
Schuhwerk kaufen«, erklärte Tanith. »Haben Sie dem Piloten Bescheid gegeben?«
»Ja.«
Selten waren wir bei einem Fall so viel hin und her geflogen, doch es war nun mal nicht anders zu machen, wir mußten in den sauren Apfel beißen. Der Pilot gehörte zur Gilde der Rettungsflieger. Er war ein kerniger, sonnengebräunter Bursche, dessen Augen zu glänzen begannen, als er unsere Begleiterin sah. Tanith kümmerte sich jedoch nicht um ihn, so erlahmte bald sein Interesse.
Ein genaues Ziel hatten wir nicht angegeben. Das ärgerte ihn noch mehr als der Flug. Rene, so hieß der Pilot, sagte: »Es ist Wahnsinn, bei Dunkelheit in die Berge zu fliegen.«
»Wir tun es auch nicht freiwillig«, entgegnete ich.
»Soll ich euch irgendwo absetzen?«
»Das wäre gut.«
»Und wo?«
»Das sagen wir Ihnen noch.«
Dann begann unser Flug. Schon bald blieb das mondäne Alpendorf Chamonix hinter uns zurück. Wir stießen hinein in eine klare, schweigende Bergwelt, in die Regionen der Gletscher, die im letzten Licht der Sonne lagen und blau, weiß und grün zu uns herunterschillerten. Eine phantastische, fremdartige Welt, die man ruhig als einmalig bezeichnen konnte.
So hoch wollten wir nicht, wir mußten nur dorthin, wo Izzi erscheinen würde. Nur – wo war das?
Mit Ferngläsern schauten wir aus der Maschine. Es waren Nachtsichtgeräte, so daß wir auch in die dunklen Täler und Schluchten hineinblicken konnten. Falls sich dort etwas tat, würden wir dies schnell erkennen. Die Stille erschien uns wie die Ruhe vor dem Sturm. Nur der Motor des Hubschraubers dröhnte, die Natur schlief, war erstarrt. Wir sahen den frisch gefallenen Schnee. An den Nordhängen war er liegengeblieben, auf den Südseiten bereits weggetaut.
Wir ließen den Piloten in dem großen Gebiet um den Mont Blanc kreisen. Manchmal kamen wir den Bergriesen sehr nahe, so daß es im ersten Augenblick aussah, als würden wir an der Felswand zerschellen, doch die Entfernungen täuschten, wenn man in so einem Hubschrauber saß. Wir hielten nach Izzi Ausschau.
Irgendwie hatten wir es uns in den Kopf gesetzt, seine Ankunft vom Hubschrauber beobachten zu können.
Doch nicht Izzi entdeckten wir, sondern einen anderen alten Bekannten. Den roten Vampir.
Suko sah ihn zuerst. Als er zusammenzuckte und sich dann steif hinsetzte, wurde auch ich aufmerksam.
»Was ist los?« rief ich ihm zu.
»Der Vampir! Da vorn!«
Tanith war ebenfalls aufmerksam geworden. Ich sah ihn noch soeben. Er stach vor dem dunkelblauen Himmel für einen Moment ab, bevor er gleich danach mit dem Schatten einer Felswand verschmolz.
»Haben Sie einen Suchscheinwerfer?« rief ich dem Piloten zu.
»Sicher.«
»Schalten Sie ihn bitte ein!«
»Was soll ich denn suchen?«
Der Typ fiel mir auf den Wecker. »Machen Sie schon!« Es war ein breiter Strahl, der die Finsternis zerschnitt und eine Felswand für alle deutlich sichtbar werden ließ. Genau die, wo wir den Vampir gesehen hatte. Jetzt war er verschwunden.
Tanith, die hinter mir saß, legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Wo kann er hin sein, John?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich und war froh darüber, daß der Pilot den Scheinwerfer bewegte. Plötzlich hatten wir ihn wieder!
Wie frisch gemalt hoben sich seine Umrisse im Zentrum des Kegels ab. Um meine Lippen hatte sich ein hartes Lächeln gelegt, während Suko dem Piloten bedeutete, der Fledermaus zu folgen.
Rene wurde plötzlich nervös. »Verdammt, was ist das für ein Untier?« schrie er.
»Sehen Sie doch, ein Vampir«, erwiderte Suko trocken. Der Pilot schaute meinen Freund an, als wollte er ihn steinigen, sagte jedoch nichts mehr.
Zum Glück war Rene ein besserer Flieger als Unterhalter. Er machte seine Sache ausgezeichnet, auch wenn er die Maschine in eine scharfe Linkskurve legte, daß wir Angst hatten, wegzutrudeln.
Er fing sie geschickt wieder ab. Wir hatten uns gesammelt, schauten nach vorn und sahen den Riesenvampir, wie er in die Höhe stieg, wobei er die gewaltigen Schwingen heftig auf- und niedergleiten ließ. Er war schnell.
Das merkte auch Rene. Und der Mann drückte, wie man so schön sagt, auf die Tube.
Er gab der Maschine Stoff. Wir flogen jetzt schräg nach oben und näherten uns dem Blutsauger von der Seite her. Der Lichtschein tanzte, blieb aber in der ursprünglichen Richtung, und wegen seiner Größe konnten wir die Fledermaus immer wieder einfangen.
Sie stieg an einer Felswand hoch, erreichte deren Grat und schien darüber hinwegzuhüpfen. Schon
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