024 - Irrfahrt der Skelette
bemerkbar machte, lag
hilflos in dem Raum, in dem das Wasser anstieg.
Sie war den Gewalten schutzlos ausgeliefert. Das Schicksal allein
entschied noch über ihr Leben.
Chantelle wurde sich nicht einmal bewußt, daß dieses Schicksal
bereits entschieden hatte. Selbst wenn sie dieses Unwetter überstand, war das
Ende nur noch eine Frage der Zeit. Ihre rechte Hand zeigte deutliche Anzeichen,
daß mit ihrem Körper eine Veränderung eintrat.
Die Haut auf dem Handgelenk wirkte durchscheinend wie
Pergamentpapier, und die Knochen schimmerten weiß und blank darunter, daß es
aussah, als würden sie sich langsam der Oberfläche der dünnen Hautschicht nähern
und sie schließlich durchbrechen.
●
Am Morgen bereitete sich Larry Brent darauf vor, die Zentrale
aufzusuchen. Er war um acht Uhr in seinem Büro angemeldet.
Ein letztes Telefongespräch mit X-RAY-1 vor zwei Tagen hatte
ergeben, daß sein voraussichtlicher neuer Einsatzort in der Peripherie von
Delhi sein sollte. X-RAY-1 hatte noch nichts Näheres mitteilen können, da die
Recherchen zweier indischer Nachrichtenleute noch im Gang waren. Sie sollten
zunächst feststellen, was am Gerede dran war. Zunächst wußte man nur, daß es
angeblich um eine verhexte Uhr gehen sollte. Was es im einzelnen mit dieser
rätselhaften Uhr auf sich hatte, wußte bis zur Stunde niemand.
Und sollte sich herausstellen, daß die Mittelsmänner in Delhi
nicht weiterkamen, dann mußte sich Larry auch mit den weniger interessanten
Vorarbeiten beschäftigen.
ln seinem Büro in der Zentrale der PSA erwartete ihn eine
Überraschung.
Kaum saß er an seinem Schreibtisch und warf einen Blick in die
bereitliegende Arbeitsmappe, als der geheimnisvolle Leiter der Abteilung sich
meldete.
» ... kennen Sie den Großwildjäger Edmund Barris, X-RAY-3?« fragte
X-RAY-1 nach knapper Begrüßung.
»Ja, Sir. Hat er irgend etwas mit der Uhr zu tun?«
»Nein. Barris weilte zwar auch schon in Indien, aber mit diesem
Fall, bei dem ich selbst noch nicht klar sehe, hat er nichts zu tun.« Die
Stimme des unbekannten Leiters der PSA klang wie immer fest, ruhig und
väterlich. »Barris ist tot! Das Hausmädchen hat ihn heute morgen in seiner
Wohnung erschossen aufgefunden. Die sofort benachrichtigte Polizei stellte
fest, daß Barris offensichtlich Selbstmord begangen hat. Er hat einen
Abschiedsbrief hinterlassen. Darin steht, warum er aus dem Leben scheidet. Es
ist ein offenes Geheimnis, daß er Schwierigkeiten mit seiner Frau hatte. Sie wollten
sich scheiden lassen. Die ersten Fotos der Mordkommission wurden von unseren
Computern ausgewertet.
Einfache Routinemeldung, die zur Speicherung und Ergänzung unserer
Daten dienen. An sich hätten wir uns mit diesem offenbar normalen Problem nicht
befaßt, wenn die Computer nicht auf einen merkwürdigen Umstand aufmerksam
gemacht hätten. Barris hatte eine Fahrt auf einem Luxusdampfer gebucht. Das
Schiff, die Andrea Morena, sticht morgen abend um acht in See. Kurs Bermudas
und Bahamas.«
»Und da hat er sich einen Tag vorher noch überlegt, daß es besser
ist zu sterben, als eine Kreuzfahrt zu unternehmen?« fragt Larry leise. »Eine
Handlung im Affekt. Er war mit den Nerven völlig runter ... «
»So erweckt es den Anschein. Unsere Kollegen von der Mordkommission
sind fest der Überzeugung, daß der Selbstmord hieb- und stichfest ist. Seit
zehn Minuten jedoch habe ich weitere Auswertungen vorliegen. Und die betreffen
einen Mann namens David Torrance.«
Larry wurde hellhörig. »Der berühmte Wissenschaftler?«
»Genau. Lange Zeit hörte man nichts mehr von ihm. Das FBI ließ ihn
seinerzeit fallen, nachdem man sicher zu sein glaubte, daß Torrance keine
militärischen Geheimnisse ausplaudern würde. Er zog sich Völlig zurück und
lebte in einer Wohnung am Stadtrand von Bronx, genauer gesagt in einem
ehemaligen Fabrikgebäude, wo er in ärmlichsten Verhältnissen existierte. Unsere
Welt ist grausam. Als man ihn noch brauchte, fehlte es ihm an nichts. Dann
drehte er durch und War der Überzeugung, daß er im eigentlichen Sinn gar nichts
Gutes für die Menschheit täte, und er weigerte sich, seine Forschungen an
verschiedenen chemischen und biologischen Waffen fortzusetzen. Er erklärte
wörtlich, daß er es nicht mehr ertragen könne, in einer modernen Hexenküche für
die Vernichtung der Menschheit zu arbeiten. Nun, das alles ist nicht so
wichtig, das heißt: Es Wäre für uns nicht so wichtig, wenn es eine Sache nicht
gäbe.
David Torrance versucht
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