0240 - Totentanz im Dollar-Club
sagten wir natürlich, dass du nach dem Anruf weggegangen wärst. Deine Kollegen werden also mehr dem Anrufer nachspüren als uns.«
Damit würde er zwar nicht recht behalten, weil man sich mit allen beiden Dingen beschäftigen würde, also mit dem Anruf und mit meinen Besuchern, aber wozu sollte ich ihm das auf die Nase binden und ihm dadurch seine gute Laune verderben? Er kam sich ja im Augenblick so genial vor wie jeder kleine Gauner, dem ein Coup geglückt ist und im ersten Triumph sein Verstand wie ein Elektronengehirn erscheint. Bis ihm der nächste Cop die Hand auf die Schulter legt. No, ich hatte ein Interesse daran, Bloose und 36 die übrigen bei guter Laune zu erhalten. Denn ihre schlechte Laune würde sich ja doch in Form von blauen Flecken und Quetschungen auf meinem Körper abzeichnen.
»Also gut«, seufzte ich, »ich geb’s zu, ihr habt es verdammt schlau angefangen. Trotzdem wird man mich finden.«
»Natürlich«, nickte Bloose. »Man wird dich finden, wenn die Ratten nur noch dein Skelett übrig gelassen haben.«
Das konnte nichts weiter als so eine Redensart sein. Eine von den hübschen Bemerkungen, die Gangster manchmal um sich werfen. Aber vielleicht war es auch ernst gemeint, wörtlicher, nicht bloß so dahingesagt. Offen gestanden, ich fühlte mich nicht besonders. Einmal schon wegen meines Kopfes, zum anderen durch die düsteren Aussichten, die mir Bloose da so ergreifend schilderte.
»Meine Kollegen werden mich innerhalb von vierundzwanzig Stunden finden«, sagte ich, mehr um mir selbst Mut zu machen, als um die Gangster zu beeindrucken.
»Drei Stunden davon sind schon rum«, sagte Bloose gelassen. »So lange hast du nämlich geschlafen.«
»Wer bezahlt Sie eigentlich dafür?«, fragte ich so plump, wie es nur eben möglich war.
»Das möchtest du gern wissen«, grinste Bloose und sah auf seine Uhr. »Los, Boys, es wird Zeit, dass wir uns von unserem lieben Freund verabschieden,«
Mir lief etwas eiskalt den Rücken hinab und gelangte irgendwie in meine Brust, wo es sich eng und drückend um mein Herz legte. Ich presste die Lippen aufeinander und nahm mir fest vor, nicht zu schreien, wenn sie jetzt ihre Pistolen zogen und mich abknallten wie einen räudigen Hund. Denn das hatten sie doch wahrscheinlich vor.
Die drei Männer erhoben sich von den Kisten, auf denen sie gesessen hatten. Sie standen neben mir, der ich auf dem nackten Dachboden lag, und sahen auf mich herab. Höhnisch und so ungeheuer überlegen, wie sie sich fühlten, seit sie mit einem richtigen G-man fertig geworden waren.
»Ich möchte dir zum Abschied noch was sagen«, brummte Bloose. »Das hier ist ein unbenutztes Haus. Es ist baufällig. Außer Ratten gibt’s keine Bewohner. Wenn du schreist, wird man’s nicht einmal unten im Hof hören, denn dieser Raum liegt genau in der Mitte des Bodens und ist durch andere Mansarden isoliert. Du wirst also hier liegen und darauf warten können, dass du stirbst. Wie gefällt dir das?«
»Sehr schön«, sagte ich.
»Kann ich mir denken«, erwiderte Bloose. »Es wird nicht langweilig für dich werden, G-man, denn die Ratten werden dich unterhalten. Später auch noch der Durst und der Hunger. Frieren wirst du bestimmt nicht. Es ist eine Hitzewelle angesagt. Und was das in New York und noch dazu auf einem Dachboden bedeutet, das brauche ich dir wohl nicht zu erklären.«
»Nein, wirklich nicht«, stimmte ich ihm zu.
»Wir hätten dich natürlich selbst umlegen können«, fuhr Bloose fort, der sich offenbar nicht von meinem Anblick und seinem Triumph trennen konnte. »Aber warum soll man sich unnötige Arbeit aufhalsen? Die Ratten schaffen dich genauso gut wie wir. Vermutlich sogar auf eine unterhaltsamere Weise.«
Ich sagte nichts. Ich hatte die Lippen aufeinandergepresst und prägte mir sein Gesicht ein. Mit jeder winzigen Einzelheit. Bloose sprach noch eine Weile auf mich ein. Ich gab ihm keine Antwort mehr. Schließlich wurde es ihm selbst fade, und er drehte sich um und verschwand mit seinen Spießgesellen. Als sie schon außerhalb meines Blickfeldes waren, hörte ich das Knacken eines Lichtschalters.
Und dann umgab mich die Finsternis der Nacht. Zwei Minuten später piepte die erste Ratte. Sie konnte gar nicht weit von mir entfernt sein, denn ich roch sie, ich roch ihre scharfe, stinkende, ekelhafte Ausdünstung. Ganz langsam kroch in mir die Angst empor, bis sie wie ein graues, unheimliches Gespenst mir auf der Brust hockte und mit Geisterhänden die Kehle
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