0243 - Die Schädelkette
sie einstieg, wußte sie Bescheid. Ja, sie hatte ihn schon einmal gesehen. Und zwar im Flugzeug. Er hatte zu den Passagieren gehört und war sogar in Kapstadt eingestiegen.
Kay bekam wieder Angst.
Den Namen des Mannes wußte sie nicht, und sie überlegte krampfhaft, wie er sich auf dem Flug verhalten hatte. Eigentlich ziemlich ruhig, sogar desinteressiert. Sie suchte nach einer Verbindung zwischen ihm und van Dyck, fand jedoch keine, denn die beiden Männer hatten getrennt voneinander gesessen.
»Du siehst schon Gespenster«, murmelte sie und erntete von dem Liftboy einen fragenden Blick.
Dann befanden sie sich im siebten Stock, wo sie den Lift verließen. Der lange Flur, den Kay so gut kannte. Das Zimmer lag nicht weit vom Aufzug entfernt. Der Liftboy öffnete, schaffte das Gepäck hinein und kassierte ein Trinkgeld.
Er bedankte sich und verschwand.
Die Stewardeß ließ sich auf die Bettkante fallen und kippte nach hinten.
Die Kappe rutschte ihr vom Kopf. Es war ihr egal. Mit den gespreizten Händen fuhr sie durch das Haar und türmte es hoch. Sie fühlte sich zerschlagen und müde wie selten. Die Ereignisse ließen sich nicht so leicht abschütteln.
Im Wagen hatte sie noch an Schlaf gedacht. Sie wurde bitter enttäuscht.
Ruhe konnte sie nicht finden. Es war kein direkter Schock, der sie umfangen hielt, aber die vergangenen Ereignisse wurden immer wieder hochgespült. Wie ein Film liefen sie ein ums andere Mal vor ihrem geistigen Auge ab.
Sie hatte sich vorgenommen, unter die Dusche zu steigen und sich danach umzuziehen.
Das jedoch mißlang. Wie gelähmt fühlte sie sich, befand sich in einem Zustand zwischen Wachsein und Schlafen und schaffte es einfach nicht, ihre bleiernen Glieder in die Höhe zu drücken.
Geschafft!
Ja, der Flug hatte sie geschafft.
Das Bett stand so, daß sie nicht in den kleinen Zimmerflur schauen konnte, wo sich auch die Tür befand. Aus diesem Grunde konnte sie auch nicht erkennen, daß sich die Türklinke bewegte.
Da kam jemand..
Diese Person mußte ihr Handwerk verstehen, denn sie öffnete die Tür von außen, ohne daß ein Geräusch entstand. Und sie brauchte sie nur noch nach innen zu drücken.
Lautlos geschah dies. Ein Schritt, und die Gestalt stand im Zimmer der Stewardeß.
Es war der weißblonde Hühne!
In seinem kantigen Gesicht regte sich kein Muskel. Die Unterlippe war ein wenig nach vorn geschoben, die hellen Haare hingen rechts und links seines Kopfes gleichlang nach unten.
Hinter der Tür blieb Saccu stehen und rührte sich nicht. Er wurde zu einem Denkmal und hatte sich so aufgebaut, daß er vom Zimmer her kaum gesehen werden konnte.
Saccu konzentrierte sich. Er spitzte seine Ohren, denn er wollte hören, was vor ihm geschah.
Der Mann nahm Atemzüge wahr. Zwar nicht sehr laut oder gleichmäßig wie die eines Schlafenden, aber seinem feinen Gehör entgingen sie nicht. Er kombinierte richtig.
Das Opfer ruhte…
Ein Zucken seiner Lippen bewies, daß er sich darüber freute. Eine andere Gefühlsregung konnte er kaum zeigen, und er griff in die Tasche seiner ledernen Jacke, um eine Spritze hervorzuholen. Sie war fertig aufgezogen, er brauchte sie nur einzusetzen.
Die Schuhe besaßen dicke Sohlen, auf denen er sich lautlos voranbewegen konnte. Kein Geräusch entstand, als er durch die Diele schritt und sich der offenstehenden Zimmertür allmählich näherte.
Kay Windsor lag auf dem Bett, hielt die Augen halb geschlossen und bekam nichts mit. Noch immer befand sie sich in einem Zustand zwischen Wachsein und Schlaf, die Natur forderte einfach ihr Recht, und sie mußte sich entspannen.
Saccu riskierte einen Blick.
Alles klar!
Seine Lippen hatten sich zu einem Lächeln in die Breite gezogen, die Augen waren leicht zusammengekniffen, er war voll konzentriert, und er würde seine Aufgabe mit der ihm eigenen Präzision durchführen.
Saccu war schnell.
Und auch lautlos…
Im letzten Moment sah Kay Windsor den Schatten. In ihrem Kopf schrillten die Alarmglocken, sie wollte hoch, aufspringen, doch da hatte der Mann bereits reagiert.
Seine freie Hand schoß vor.
Sie war wie die Pranke eines Tigers, bekam Kay zu packen und preßte sich auf ihren Mund.
Der Schrei erstickte bereits im Ansatz. Dann sah sie das Gesicht und den Körper dicht über sich. Vor allen Dingen kam ihr das Gesicht ungeheuer groß vor, es wurde zu einem regelrechten Ballon, dessen Mund sich verzerrte.
Der Stich.
Die Hand mit der Spitze fuhr nach unten. Saccu war darin ein wahrer Meister.
Weitere Kostenlose Bücher