0243 - Die Schädelkette
Mit einer nahezu teuflischen Präzision fand er den freiliegenden Hals des Mädchen.
Er stach zu.
Kay Windsor spürte nicht viel. Nur einen kurzen Einstich, als wäre sie von einer Mücke gestochen worden. Wenige Sekunden blieb sie in der Haltung liegen, schaute nur in das sonnenbraune Gesicht des Hünen und hörte die geflüsterten Worte.
»Er wartet auf dich.«
Dann verschwamm auch der Eindruck. Das Gesicht zog sich noch mehr in die Breite, wurde zu einer Fratze, zu einem verzerrten Etwas, und schließlich sah sie überhaupt nichts mehr.
Die Spritze hatte ihre volle Wirkung erreicht.
Saccu konnte mit der Stewardeß machen, was er wollte. Er mußte nur ein paar Minuten abwarten, dann würde sie seinen Befehlen von allein folgen…
***
Er trug einen weißen Anzug aus Leinen, dazu ein blau schillerndes Hemd und hatte die Kette aus Totenschädeln um seinen Hals gehängt.
Er fühlte sich als Sieger.
Er war der King!
Peter van Dyck hatte viel in seinem Leben erreicht, doch nun stand er an der Spitze. Diese geheimnisvolle Kette gab ihm die Macht, die ihm noch gefehlt hatte. Und abermals rief er sich die Szene ins Gedächtnis zurück, als man ihn mit dem Messer traktierte. Die Klinge hatte ihm nichts anhaben können, er war unbesiegbar, denn die Kette gewährte ihm diesen außergewöhnlichen Schutz.
An das Fenster hatte er sich gestellt und schaute durch die Scheibe nach draußen.
Nicht weit entfernt lag der Park. Ein Safari Park, im Sommer von zahlreichen Besucher frequentiert, im Herbst geschlossen. Da sich der November bereits der Mitte zuneigte, waren keine Besucher innerhalb des Parks zu sehen.
Doch die Tiere befanden sich noch dort.
Man schaffte die Löwen und Tiger nicht in ihre Heimat, sondern hielt sie in speziellen Häusern fest. Das gleiche geschah mit den Elefanten, und ihr Trompeten übertönte selbst das wilde Fauchen der Raubkatzen. Die Tiere zeigten sich unruhig.
Was den Wärtern vielleicht Sorgen bereitet, das nötigte van Dyck nur ein Lächeln ab. Er wußte den Grund für das seltsame Verhalten der Tierwelt.
Es mußte die Kette sein.
Sie stammte aus der Heimat der Löwen und Elefanten, aus dem tiefsten Afrika, und sie hatte ihren Zauber auch in der europäischen Welt nicht verloren.
Konnte er die Tiere durch die Kette beherrschen?
Das hoffte er sehr, denn sie waren besser als sein Leibwächter Saccu.
Als er an ihn dachte, warf er einen Blick auf die Uhr. Van Dyck hatte Saccu den Auftrag gegeben, Kay Windsor zu holen. Das würde der weißblonde Mann erledigen.
Das Haus war leer, kalt und einsam.
Ein düsteres Gebäude. Von außen zeigte es eine Front aus rötlichen Backsteinen. Die Türen besaßen einen grünen Anstrich, ebenso die Fensterkreuze. Es stand wie ein Klotz in der waldreichen Umgebung.
Niemand hatte es haben wollen, die Nähe zum Safari-Park war den meisten Käufern zu unsicher gewesen.
Innen hatte der Milliardär sich das Haus nach seinen Vorstellungen einrichten lassen. Zahlreiche nicht tragende Mauern waren eingerissen worden, so daß große Räume entstanden. Auf ein großartiges Interieur hatte van Dyck verzichtet. Was er aufstellte, entsprach seinem Geschmack und ging quer durch den Garten.
Moderne Kunst gemixt mit alten englischen Möbeln, dazwischen die Plastiken auf dem Holzboden und die Teppiche, die allesamt aus dem fernen China stammten.
Das Haus besaß auch einen Keller.
Eine steile Treppe führte hinunter. Der Keller hatte gewaltige Ausmaße und diente dem Milliardär als Weinlager.
Vor einem Spiegel hatte er sich aufgestellt. Es war ein perspektivischer Spiegel, der, wenn man in ihn hineinschaute, sich nach hinten hin öffnete, so daß der Betrachter das Gefühl hatte, am Beginn eines langen Ganges zu stehen, der zugleich noch von zahlreichen kleinen Lampen flankiert und markiert wurde.
Van Dyck wollte nur die Kette sehen.
Es machte ihm nichts mehr aus, sie um seinen Hals zu haben, denn diese Kette war es, die ihm die Kraft gab und aus ihm einen anderen Menschen geformt hatte.
Konnte er sich denn überhaupt noch als Mensch bezeichnen?
Van Dyck war ehrlich genug, um sich diese Frage zu stellen? Nein, er war kein Mensch mehr. Zwar noch im äußerlichen Sinne, aber die Kette hatte ihn doch verändert.
Er gehörte einem anderen.
Dem Teufel vielleicht?
Als er daran dachte, begann er zu lachen. Teufel war schon gut. Er hatte immer sehr am Teufel gehangen, das Böse war seiner Ansicht nach stärker als das Gute, und hatte man ihm nicht den Beweis
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