0244 - Der Seelen-Vampir
einzuhalten, und er wollte sich nicht blamieren. Zudem hatte man ihn mit einer größeren Summe Geld geschmiert.
Im Morgengrauen, als der Sturm sich gelegt hatte, verließ er die Brücke.
Die Verantwortung dort übernahm sein Erster Offizier.
Romanescu aber wollte das Schiff inspizieren. Er dachte an die vier Särge. Diese Fracht war ihm die gesamte Nacht über nicht aus dem Sinn gegangen. Auf dem Weg unter Deck traf er Lady X. Sie und Vampiro-del-mar waren in eine Gästekabine gesteckt worden und sollten sich nach Möglichkeit nicht blicken lassen. Doch Lady X hatte den Kapitän am Schritt erkannt. Sie öffnete blitzschnell die Tür.
Überrascht blieb Romanescu stehen. Er wurde blaß und fühlte sich fast wie ein ertappter Dieb.
»Hey, Käpt’n«, sagte die Vampirin, lächelte schmal, und für Sekundenbruchteile blitzten ihre gefährlichen Hauer.
Romanescu versuchte, ein Grinsen auf sein faltiges Gesicht zu zaubern. »Schlafen Sie nicht?« fragte er.
Da lachte die ehemalige Terroristin. »Jetzt tun Sie mir kein Leid an. Oder haben Sie davon gehört, daß Vampire unbedingt Schlaf brauchen?«
Romanescu räusperte sich. »Ja, ich… also, ich meine. Ich hörte, daß sie in Särgen …«
»Leider haben wir davon nicht genug.«
»Weshalb haben Sie die Särge überhaupt mitgebracht?« wollte der Kapitän wissen.
»Wir brauchen sie.«
»Und auch den Inhalt?«
»Nein. Die Leichen schenke ich Ihnen, wenn wir in Konstanza sind. Sie können damit machen, was Sie wollen, mein Lieber. Alles klar?«
»Nein. Was ist mit Ihnen?«
»Wir nehmen die Särge schon mit. Keine Angst. Schließlich müssen wir von Bord.«
»Das stimmt.«
»Sonst noch etwas?« fragte Lady X.
»Nichts mehr.«
»Dann wünsche ich Ihnen eine angenehme Ruhe, mein Lieber. Sie wollten doch schlafen?«
»Ja, ja, natürlich.«
»Und träumen Sie gut.« Ein letztes Lachen hörte der Kapitän noch, dann war die düstere Todesbotin verschwunden.
Aufatmend lehnte sich Romanescu gegen die Gangwand. Er wischte den Schweiß von der Stirn, der sich während seines Gesprächs mit der Untoten gebildet hatte. War sie mißtrauisch geworden? Er wußte es nicht, aber er hatte noch einmal Glück gehabt.
Wie so oft…
Fröstelnd zog er die Schultern hoch. Seine Mundwinkel zuckten, als er weiterging und dann den Abstieg zum unteren Deck nahm.
Zuvor schaute er sich um.
Niemand folgte ihm, der Gang war leer. Er blieb unbeobachtet und konnte sich seinem Ziel nähern.
Das war der Laderaum, in dem sie auch die vier Särge untergebracht hatten.
Zu diesem Raum war der Mannschaft für die Dauer der Reise der Zutritt verwehrt worden. Zudem war er abgeschlossen, und nur der Kapitän besaß den Schlüssel.
Er trug ihn bei sich und holte ihn aus der Tasche, als er den langen Gang zum Maschinenraum herschritt. Dabei bemühte er sich, sehr leise aufzutreten. Man brauchte ihn nicht zu sehen, die Leute würden nur dumme Fragen stellen.
In der Nähe lag der große Maschinenraum. Da das Schiff mit voller Kraft fuhr, war das Stampfen genau zu vernehmen. Ein ständiges Zittern und Vibrieren. Es hielt das gesamte Schiff erfaßt. Wer den Kahn nicht kannte, hätte meinen können, daß er jeden Augenblick auseinanderbrechen würde.
Dem war nicht so, der Frachter würde auch noch weitere zehn Jahre halten.
Romanescu schaute sich vorsichtig um, ehe er den Schlüssel in das Schloß schob. Es war gut geölt, der Schlüssel ließ sich leicht drehen, und Sekunden später war die Tür offen.
Ein muffiger Geruch strömte dem Kapitän entgegen. Er schlüpfte durch den Spalt und hütete sich, das Licht einzuschalten. An ihrer Unterseite schloß die Tür nicht fugendicht, ein verräterischer heller Streifen wäre sonst zu sehen gewesen.
Behutsam schloß er die Tür. Eine Lampe trug er stets bei sich. Die schaltete er ein.
Der Lichtbalken stach durch die Finsternis. Er traf auf kleine Kisten und Kästen. Sie standen wohlgeordnet an den Wänden und reichten bis zur Decke.
Die Ladung war gut verschnürt und vertäut, sie würde auch bei einem schweren Sturm kaum rutschen. Der Kapitän wußte, daß diese Kisten Medikamente enthielten, die in Rumänien nicht zu bekommen waren und aus England importiert werden mußten.
Weiter hinten, fast am Ende des Lagerraums, standen die vier schwarzen Särge.
Als der Kapitän weiterging, wurden auch sie aus der Dunkelheit gerissen, und Romanescu verspürte in der Magengegend ein leichtes Ziehen. Die Särge gefielen ihm nicht.
Auch die Farbe
Weitere Kostenlose Bücher