0244 - Der Seelen-Vampir
zu haben.
Der Todeskampf begann. Ich sprang zurück, riß den Riesenvampir noch mit, um nicht Gefahr zu laufen, von den Flügelschlägen getroffen zu werden. Das konnte sehr schmerzhaft sein, und auch die Frau wollte ich aus der Gefahrenzone schaffen.
Die Bestie zerfiel unter meinem Griff. Hatte sich die Haut noch zuvor wie altes Leder angefühlt, so wurde es plötzlich brüchig, und ich hielt Staub in den Händen.
Er rieselte zwischen meinen Fingern hindurch und fiel wie eine graue Fahne zu Boden.
Das war’s!
Auch die anderen Reste des roten Vampirs vergingen. Einen Flügel stampfte ich noch klein und sah dabei Suko in der Tür stehen.
»Alles klar?« fragte der Inspektor.
»Keine Ahnung. Ich weiß es noch nicht.« Ich deutete auf das Bett und ging gleichzeitig hin.
Die Frau lag auf dem Rücken. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Gesicht war mit Schweiß bedeckt. Der Mund stand offen, und sie atmete schnell und hektisch.
Ich setzte mich zu ihr auf die Bettkante. Dabei stieß mein Fuß etwas zur Seite. Als ich nachschaute, sah ich das am Boden liegende Kreuz aus Holz.
Ich hob es auf und drückte es der Frau zwischen die Finger. Das war der beste Test.
Es geschah nichts. Sie zeigte keine negative Reaktion, demnach konnte sie das Kreuz anfassen, fürchtete sich nicht davor, und sie war auch kein Vampir.
Die Fledermaus hatte es noch nicht geschafft. Wir waren gerade rechtzeitig gekommen.
Ein Stein fiel mir vom Herzen. Ich dachte aber auch an das junge Mädchen. Von ihm hatte ich nichts gesehen und erinnerte mich daran, durch den Garten jemand flüchten gesehen zu haben.
Konnte das der Vampir gewesen sein?
Eine Antwort auf die Frage mußte die Frau mir geben, aber Mrs. Lancaster befand sich nicht in der Lage, zu reden. Sie warf sich von einer Seite auf die andere, schluchzte und sprach mehr zu sich selbst, vor lauter Angst hatte sie noch nicht mitbekommen, daß jemand neben ihr saß. Suko war abwartend am Fußende des Betts stehengeblieben.
Dann stockte sie.
Mitten in der Bewegung hörte sie auf, blieb starr auf dem Rücken liegen und schaute mir ins Gesicht.
»Madam«, sagte ich, »beruhigen Sie sich. Es ist alles vorbei. Ich bin jetzt bei Ihnen…«
»Sie?« Dieses eine Wort dehnte sie. Und noch einmal. »Sie?« Dann ein Schrei, der aus ihrem Mund drang. Er stach mir gellend entgegen, ich zuckte unwillkürlich zurück, und die Frau richtete sich auf. Sie wollte nach mir schlagen, sie drehte durch.
Ich bekam ihre Handgelenke zu fassen, hielt sie fest, ließ sie eine Weile toben und drückte sie dann, als sie nicht mehr konnte, zurück.
Auf dem Rücken blieb sie liegen.
Schwer atmete sie. Ich redete weiterhin auf sie ein. Meine Stimme klang ruhig, denn ich wollte auch bei ihr eine beruhigende Wirkung erzielen.
Es dauerte ein paar Minuten, bis sie sich gefaßt hatte. Dann setzte sie sich auf und bat um eine Zigarette.
Ich gab sie ihr und holte auch einen Aschenbecher. Sie rauchte auf Lunge. Die Hände zitterten so stark, daß sie kaum den Glimmstengel halten konnten.
»Können wir reden?« fragte ich.
Sie nickte.
»Bitte erzählen Sie genau, wie es passiert ist. Wir müssen es wissen, sonst können wir nichts unternehmen.«
Der Bericht drang stockend über ihre Lippen. Sie legte immer wieder eine Pause ein, holte Luft und sprach dann weiter. Schließlich redete sie schneller.
Suko und ich erfuhren, welch ein schreckliches Drama sich in diesem Haus abgespielt hatte.
»Tarrasco hat Ihre Tochter also mitgenommen«, stellte ich nach ihrem Bericht fest.
»Ja, Sir…«
»Können Sie sich vorstellen, wohin er sie geschleppt hat, Mrs. Lancaster?«
»Niemand kennt sein Versteck.«
»Sind es vielleicht die Höhlen?«
Sie schaute mich an. »Die an der Küste, wo sich keiner hintraut?«
»Genau, die meine ich.«
»Das kann sein, aber da kann man keinen Menschen hinschicken…«
»Wir gehen freiwillig dorthin.«
Sie blickte Suko an, dann mich. Plötzlich begann sie wieder zu weinen. »Lilian hat keine Chance mehr. Er wird ihr die Seele aussaugen. Er hält sie in seinem Bann, glauben Sie mir. Sie können nichts mehr machen, Mister.«
Verzweifelt schüttelte die Frau den Kopf.
Ich stand auf. »Man darf die Hoffnung niemals aufgeben«, erklärte ich und wußte selbst, daß es ein verdammt billiger Trost war.
Die Schritte hörten wir schon unten.
Suko huschte sofort aus dem Raum, während ich noch bei Mrs. Lancaster blieb.
Dann hörte ich den Chinesen mit einem Mann sprechen. An der Stimme
Weitere Kostenlose Bücher