0244 - Der Seelen-Vampir
erkannte ich den Bürgermeister. Schon wenig später betrat Suko mit William Biggle das Zimmer.
Der Bürgermeister wußte Bescheid. Suko hatte ihn informiert.
»Virna«, sagte der Mann und kümmerte sich sofort um die Mutter des entführten Mädchens.
»Ich habe ihm gesagt, er soll bei ihr bleiben«, erklärte Suko.
Da hatte er genau in meinem Sinn gesprochen.
Wir hatten hier nichts mehr zu suchen. Die beiden bemerkten nicht, daß wir den Raum verließen und nach unten gingen.
Jetzt wartete der Seelensauger!
***
Und der hetzte durch die Nacht!
Er hatte Lilian über die Schulter geworfen, und so sollte es auch bleiben. Erschöpfung wie ein normaler Mensch spürte er nicht. Er war ein Untoter, ein Geschöpf, das sich nur durch die Seelen gerade gestorbener Menschen am »Leben« hielt.
Für ihn gab es keine Gefühle wie bei den Menschen. Was er tat, das tat er, um zu überleben.
Und dennoch fühlte er tief in seinem Innern die Beunruhigung. Er hatte bei seiner Flucht durch den Garten den Mann am Hintereingang gesehen, und der war ihm nicht geheuer.
Er hatte ihn zwar nicht unmittelbar bedroht, doch von ihm, dem Blondhaarigen, ging eine seltsame Aura aus, die auch dem Seelen-Vampir gefährlich werden konnte.
Er würde sich vorsehen müssen!
Das jedoch war alles zweitrangig. Für ihn allein zählte das Opfer über seiner Schulter.
Die Seele dieser Person würde seine Kraft noch mehr stärken.
Lange hatte sie nicht mehr zu leben. Er hoffte nur, daß ihr Herz noch schlug, wenn er in seiner Höhle verschwunden war.
Tarrasco schlug den Weg zu den Klippen ein. Wege gab es hier nicht. Er mußte schon quer durch die Gegend laufen, sprang über Steine, lief mal einen kleinen Abhang hoch, rutschte an der anderen Seite wieder herunter und erreichte schließlich den Steilhang der Klippen.
Es war windiger geworden. Er spürte den Sturm, der sich gegen ihn warf und ihn zurückhalten wollte. Wenn er einen Blick nach links warf, konnte er über den Rand der Klippen schauen, sah das Meer und die helle Brandung, die sich donnernd an den Felsen und den Wänden brach, wobei hohe Gischtfontänen in die Luft geschleudert wurden und die einzelnen Tropfen wie glitzernde Perlen wirkten.
Auch die Wolken hatten dem starken Wind Tribut zahlen müssen.
Sie waren weggefegt worden, so daß sich der Himmel über dem Unheimlichen leer und klar präsentierte.
Blaß wirkte die Scheibe des Mondes. Wie eine helle Zitrone stand sie am Himmel.
Als Schattenriß hob die Bestie sich mit seinem Opfer vor dem Rand der langen Klippe ab.
Kein Filmregisseur hätte eine bessere Gruselstimmung zaubern können, wie sie die Wirklichkeit brachte.
Das Heulen des Windes, das Donnern der Brandung und die Schreie des Seelen-Vampirs.
Es waren Triumphschreie, denn abermals war es ihm gelungen, ein Opfer zwischen die Klauen zu bekommen.
Etwas jedoch bereitete ihm große Sorgen. Es waren die beiden roten Vampire. Man hatte sie ihm als eine Schutzmacht überlassen.
Was nutzte so eine Macht, wenn sie nicht zu sehen war.
Tarrasco zeigte sich irritiert. Die beiden hatten ihn begleiten sollen, doch sie waren nirgends zu sehen. Wenn er sich umschaute, sah er nur den düsteren Himmel und dazwischen die fahlen Fahnen des Mondlichts. Die Riesenvampire hätten sich gut abzeichnen können, aber der Himmel war leer. Wie blankgefegt.
Wo steckten sie?
Zeit, nach ihnen zu rufen oder sie zu suchen, hatte Tarrasco nicht.
Er mußte mit seinem Opfer in der Höhle verschwinden. Der Einstieg war gut getarnt. Er mußte einen kleinen Buckel hoch, auf dem nicht nur das braune Wintergras wuchs, sondern auch sperrige Büsche, die den Eingang hervorragend tarnten.
Der Seelensauger hatte Routine. Mit sicheren Handgriffen schob er die Büsche zur Seite und sah den Einstiegsschacht vor seinen Augen. Die Leiter war vorhanden, die Öffnung groß genug, daß er bequem hindurchsteigen konnte.
Im Dunkeln lief er nach unten.
Nur seine Schritte waren zu hören und hin und wieder das tiefe Stöhnen seines Opfers.
Er lachte manchmal auf, wenn er an die Seele des Mädchens dachte, die er einsaugen wollte.
Dann hatte er den Grund erreicht.
Hier ließ er Lilian zu Boden gleiten, tastete sich weiter, fand das Versteck und auch die Fackeln.
Eine zündete er an. Es waren Pechfackeln, sie würden noch sehr lange brennen. Er hielt sie in der Hand und streckte dabei den Arm aus, um in die Runde zu leuchten. Die anderen beiden Fackeln hatte er sich unter den Arm geklemmt und leuchtete mit
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