0246 - Fähre aus dem Jenseits
helfend beisprangen. Im Kampf gegen die Gewalten der Finsternis gab es keinen ritterlichen Ehrenkodex und keinen fairen Kampf Mann gegen Mann. Hinter der Erscheinung des Ajax, die jetzt Realität geworden war, stand ganz sicher der Teufel.
Wie Sturzbäche floß der Schweiß über Zamorras Stirn, Dann merkte er, wie der große Ajax seine Kraft nocht verstärkte. Ganz langsam wurde die Klinge des Parapsychologen niedergedrückt. Aus den Augen des Gegners sprühte dem Meister des Übersinnlichen abgrundtiefer Haß entgegen.
»Stirb, Zamorra!« krächzte es zwischen seinen Lippen hervor. »Stirb und fahr hinab in den Tartarus, wo sich Tantalus in Qualen windet und Sisyphus verzweifelt. Stirb endlich… !«
In diesem Moment erscholl von irgendwoher ein Ruf. Ein Ruf, der Ajax ablenkte. Für den Bruchteil einer Sekunde nur. Aber die reichte.
Zamorra duckte sich ab. Das Schwert des Ajax fegte haarscharf über ihn hinweg. Mit zwei, drei schnellen Sprüngen brachte sich Zamorra in eine neue Kampfposition.
»Ajax! Gehorche meinem Befehl!« erscholl der Ruf erneut. »Stille deine Rache, nachdem du mir, dem du jetzt das Leben verdankst, einen Dienst erwiesen hast.«
»Ich höre, Meister! Und ich gehorche!« war die Antwort des Ajax.
»Ich befehle dir, daß du jenen Mann ins Wasser schleuderst!« kam wieder die Stimme. »Er soll Lethe trinken. Er soll vergessen… alles vergessen… !« Ein kurzes, unirdisches Aufleuchten bezeichnete Pater Aurelian als die Person, die Ajax nun angreifen sollte.
»Die Stimme kenne ich!« brach es aus Aurelian hervor. »Ein Dämon. Einer der ganz Großen in der Hölle… !«
»Asmodis? Belial? Oder Astaroth?« fragte Professor Zamorra. »Ich habe diese Stimme noch nie gehört. Sie klingt auch nicht nach Asmodis.«
»Ich bin Lucifuge Rofocale selbst!« dröhnte es. »Das sei dir ein letzter Trost, daß ein Wesen, das Satans Thron am nächsten steht, deiner gedenkt, Menschlein.«
»Warum soll ich vergessen?« fragte Aurelian, während er langsam vor dem angreifenden Ajax zurückwich.
»Ich werde es dir sagen… hahaha… denn in wenigen Augenblicken hast du es vergessen, weil du Lethe trinken wirst. Dann aber werden die anderen Menschen verzweifeln. Denn du bist der Einzige, der das Ritual des Heptagramms - den Zauber des siebenzackigen Stems kennt!«
»Ja, den kenne ich wirklich!« nickte Aurelian. »Wenn er auch meine ganze Kraft kostet!«
»Nun sei euch gesagt, daß ihr nur durch diesen Zauber zurück in Eure Welt kommt!« kicherte die Stimme des Erzdämons. »Ein Geheimnis, das du bald vergessen hast, wenn Ajax in deine Nähe kommt… !«
»Aber dazu muß er Aurelian erst einmal haben!« rief Zamora und baute sich kampfbereit vor dem Freund auf. Das Schwert blitzte in seiner Hand.
»Sieh an! Er drängelt sich um die Ehre, zuerst sterben zu dürfen!« höhnte die Stimme des Lucifuge Rofocale. »Ich gewähre diesen Wunsch. Und nun mache dich auf einen Kampf gefaßt, wie du noch keinen gekämpft hast, Zamorra! Denn ich werde dem Ajax für die Zeit des Kampfes einen Teil meiner Stärke überlassen. Das steigert seine Kraft ins Unermeßliche ! Wie fühlt man sich, Zamorra, wenn man seine Körperkraft mit der des Teufels messen muß… ?«
»Mit der Zunge hast du schon gewonnen, Dämon!« erwiderte der Meister des Übersinnlichen ruhig. »Nun zeige einmal, ob du den tönenden Worten auch Taten folgen lassen kannst!« Zamorra zwang sich, ruhig zu bleiben. Aber er beobachtete jede Bewegung des Gegners.
Da! Dieses Zucken! Für den Augenblick bebte der mächtige Körper des großen Ajax. Das konnte nur eins bedeuten.
»Er ist in den Griechen eingefahren! Oder er hat einen Teil von sich einfahren lassen!« zuckte es durch Zamorras Gedanken, während er zwei Schritte zurückging und eine neue Verteidigungsposition einnahm. »In dem toten Körper steckt also ein Teü eines Dämons. Und gegen Dämonen hat der Ju-Ju-Stab bisher gewirkt… !«
Zamorra konnte den Gedanken nicht zu Ende spinnen. Denn der große Ajax griff an. Und wie er angriff !
Der Kriegsruf des Telamoniers dröhnte durch den Hades und hallte schauerlich wieder. Mit der elementaren Wucht eines gereizten Löwen sprang er Professor Zamorra an.
Der Parapsychologe konnte sich gerade noch gedankenschnell beiseite werfen, als die Klinge des Ajax durch die Luft pfiff. Zamorra hörte die Waffe gefährlich nahe an seinem Ohr vorbei sirren. Dann machte der Franzose mit den harten Decksplanken der ›Hamlet‹ unliebsame Bekanntschaft.
Weitere Kostenlose Bücher