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0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod

0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod

Titel: 0248 - Auf dünnen Seilen tanzt der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auf dünnen Seilen tanzt der Tod (1 of 2)
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Sekunde später hatte ihn schon die Dunkelheit verschluckt.
    ***
    Phil Decker huschte fast lautlos zwischen den Wagen hindurch. Er musterte die Umgebung. Er drückte sich in den Schatten eines Wagens, als er hohe, fistelnde Stimmen in eigentümlichen Sing-Sang, erklingen hörte. Gleich darauf marschierten die sechs Chinesen durch den Lichtschein, der aus dem Fenster eines Wagens fiel. Sie redeten alle gleichzeitig.
    Der G-man wartete, bis die Chinesen verschwunden waren. Als er danach seinen Weg fortsetzen wollte, quietschte ganz in seiner Nähe eine Tür. Abermals drückte er sich zurück in den Schatten und wartete. Nur wenige Schritte von ihm entfernt ging langsam die Tür eines Wagens auf, der nicht erleuchtet war. Decker konnte die Wagennummer 23 erkennen. Dieser Wagen gehörte zu einem der Stars der Truppe, Juanita Marsari, todesmutiger Trapezakt oder so, hieß es im Programm, das Phil auswendig gelernt hatte.
    Die Artistin konnte nicht in ihrem Wagen sein, denn um diese Zeit war ihr großer Auftritt. Trotzdem war es zweifellos die Tür zu ihrem Wagen, die von innen auf geschoben wurde.
    Phil hielt den Atem an. Seine Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Von drüben, vom Zelt her, hallte der dumpfe Trommelwirbel herüber, mit dem der tollkühnste Akt am Trapez eingeleitet wurde. Die Marsari war also dicht vorm Ende ihrer Nummer.
    Jetzt tauchte eine Gestalt in der offenen Tür des Wohnwagens auf. Ein Mann huschte auf leisen Sohlen die Stufen herunter, drückte die Tür zu und sah sich misstrauisch um. Decker presste sich eng gegen die Wand des Werkzeugwagens, in dessen Schatten er stand.
    Die Gestalt lief davon. Aber auch sie musste den Lichtschein aus dem Fenster passieren, das vorhin schon die Chinesen erleuchtet hatte. Decker wartete gespannt auf diesen Augenblick. Da, jetzt war es soweit.
    Nick Kenton, der Assistent des Kunstschützen. Decker hatte ihn deutlich erkannt. Obgleich der Mann nur eine halbe Sekunde im Schein des Lichts aus dem nächsten Wohnwagen gestanden hatte.
    Decker schlenderte weiter. Es war nicht die einzige Beobachtung gewesen, die er in jener halbe Stunde gemacht hatte, seit Eve Johnson in ziemlicher Verwirrung am Bürowagen zurückgeblieben war.
    Er ging ins Zelt. Ralley, den Stallmeister, der zugleich so etwas wie der unmittelbare Vorgesetzte aller Zirkusarbeiter war traf er vor dem Käfig der Eisbären.
    »Hallo, Mr. Ralley«, sagte Decker, schob sich mit dem Zeigefinger den Hut in die Stirn und grinste leutselig. »Eine interessante Sache, so ein Zirkus.«
    »Finden Sie?«, erwiderte Ralley mürrisch. »Mir hängt’s zum Halse heraus.«
    »Warum suchen Sie sich dann nicht einen anderen Job?«
    »Fragen Sie mal einen Beamten, warum er dreißig oder vierzig Jahre lang jeden Morgen zur selben Zeit denselben Weg geht, um sich auf denselben Stuhl zu setzen. Reine Gewohnheit.«
    »Wie lange machen Sie denn das schon?«
    »Hier? Den Stallmeister?«
    »Ja.«
    »Warten Sie mal«, brummte Ralley. »Da muss ich anfangen zu rechnen… Also 26 habe ich hier angefangen. Dann kam die Wirtschaftskrise, und mit dem Zirkus war es vorbei. Im Jahre 34 hat die Familie Johnson wieder angefangen. Damals lebten nämlich noch zwei Brüder, Bill und Jack. Die machten den Laden zusammen mit Wellington, was jetzt der Chef ist. Im selben Jahr fing ich bei ihnen wieder an. Als Stallbursche. Na ja, dann ging’s mit dem Unternehmen aufwärts. Es muss 39 oder 40 gewesen sein, wie ich Stallmeister wurde. Da lebte Bill schon nicht mehr. Tödlicher Unfall - wie das eben bei Artisten manchmal geht.«
    Decker bot Zigaretten an. Ralley bediente sich.
    »Dass sind ja schon allerhand Jahre«, murmelte Phil. »Runde Zwanzig Jahre Stallmeister. Da müssen Sie doch allerhand von der Welt gesehen haben -oder?«
    Ralley lachte knapp. Ein paar vorbeieilende Stallburschen trauten ihren Augen nicht. Der Boss lachte. So etwas hatten sie seit Jahren nicht erlebt.
    »Gesehen«, wiederholte der Stallmeister ironisch. »Was man so sieht. Viel ist es nicht. Heute hier, morgen da. Übermorgen dort. Das hört sich immer so schön an. Aber während der Fahrt ist man froh, wenn man ein Nickerchen machen kann. Und wo man auch ankommt, gleich geht’s an die Arbeit.«
    »Ja, jeder Job hat seine zwei Seiten«, seufzte Decker mitfühlend.
    »Da haben Sie wirklich ein wahres Wort gesprochen«, nickte Ralley.
    »Sagen Sie, Mr. Ralley, es fällt mir nur gerade so ein - kennen Sie Bloomington? Eine kleine Stadt in Indiana. Es

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