0248 - Gatanos Galgenhand
nicht erwärmt. In der Kugel sah ich nichts. Ich berührte sie und legte dabei meine Handfläche auf die Rundung.
Sie fühlte sich ein wenig warm an, als würde etwas in ihrem Innern pulsieren.
»Aahhh…«
Da vernahm ich es wieder. Ich fuhr herum, stoppte in der Drehung und schaute auf die Wand.
Von dort war das Geräusch gekommen, und in dem Mauerwerk zeichnete sich auch eine Gestalt ab.
Die Gestalt einer Frau, aber hinter ihr schwebte übergroß und drohend der Schatten einer Schlinge…
***
Es war ein makabres Bild, und mich überzog eine Gänsehaut. Dabei kam ich mir vor, als würde ich vor einer Kinoleinwand stehen und auf die schattenhaften Gestalten eines schlecht kopierten Films schauen.
Das war unheimlich. Die Frau war zwar als solche zu erkennen, Einzelheiten aber nahm ich nicht wahr.
Sie stöhnte.
Ihr Seufzen, das manchmal in ein schweres Ächzen überging, konnte man kaum hören. Dieses in der Wand gefangene Wesen mußte schreckliche Qualen erleiden und konnte keine Ruhe finden.
Die Erklärung lag auf der Hand. Im Innern der Mauer steckte ein gefangener Geist.
Aber welcher?
Eigentlich kam für mich nur Lucille, die rechtmäßige Mieterin der Wohnung in Betracht. Durch sie war praktisch alles ins Rollen gekommen, und sie zeigte sich dafür verantwortlich, daß diese Taten geschehen waren.
Jetzt mußte sie dafür leiden und fand nicht die ewige Ruhe.
Dokumentiert durch das Zeichen der Henkersschlinge.
Welch ein Rätsel verbarg dieses Mietshaus mitten im Herzen der Millionenstadt New York?
Vielleicht vier Schritte trennten mich von dem Ort des unheimlichen Geschehens. Ich überwand meine erste Überraschung und schritt auf die Wand zu.
»Helfen…«, schallte es mir plötzlich dumpf entgegen. »Befreit mich! Der Henker…« Danach vernahm ich abermals das tiefe Seufzen und Stöhnen, die Gestalt im Gestein bewegte sich zuckend und hektisch, bevor sie allmählich verblaßte und verschwand.
Als ich hinzusprang und die Wand berührte, war auch die Schlinge nicht mehr zu sehen. Das geweihte Kruzifix prallte gegen die Verkleidung, und nichts geschah.
Ich atmete tief durch. Eine erste Spur hatte ich gefunden. Sie führte zu einem Henker, denn davon hatte die Gestalt gesprochen. Wer war dieser Henker?
Wenn wir das herausfanden, kamen wir der Lösung des Falles ein ganzes Stück näher.
Ich drehte mich um, und mein Blick fiel dabei auf die Uhr. Ich wußte nicht genau, wann Tanith verschwunden war, aber das Lokal sollte in der Nähe liegen, und eigentlich hätte sie längst zurücksein müssen. Das war nicht der Fall.
Ich wurde unruhig.
Wer in diesem Haus lebte, war verflucht. Den traf die Rache einer finsteren Magie. Normalerweise hätte ich mir keine Sorgen gemacht, hier sah die Sache anders aus. Das hier war nicht normal, etwas hatte von diesem Haus Besitz ergriffen, und der Begriff Henker war gefallen.
Steckte er hinter allem?
Ich konnte davon ausgehen, drehte mich um, verließ das Zimmer und schloß die Tür.
Dann lief ich ins Arbeitszimmer, wo auch dieser seltsame durch kleine Lampen beleuchtete Spiegel an der Wand hing. Wenn man in ihn hinein schaute, kam man sich unendlich weit entfernt vor.
Ich ging an ihm vorbei und hatte ihn fast passiert, als ich plötzlich stutzte.
Da war etwas im Spiegel.
Aber nicht ich selbst, sondern eine andere Gestalt. Sehr klein kam sie mir vor.
Ich drehte mich, schaute genauer hin und sah eine blondhaarige Frau in einem blauen Kleid. Sie winkte mir mit irgend etwas zu, das ich auf Anhieb nicht erkennen konnte, doch mein Blick wurde besser, und ich identifizierte den Gegenstand.
Es war eine Henkersschlinge!
***
Die Überraschungen nahmen kein Ende. Erst das Stöhnen aus der Wand, dann der Geist einer weiblichen Person, und nun sah ich diese Frau wahrscheinlich wieder, und sie winkte mir mit der Schlinge, durch die sie wahrscheinlich gestorben war.
Das sollte einer verstehen.
Ich mußte mich überwinden, um dicht an den Spiegel heranzutreten.
Unwillkürlich zögerte ich, etwas zu unternehmen, ich ließ das Kreuz beiseite und schaute nur auf die Person.
Sie kam näher.
Und sie wurde auch ein wenig größer, allerdings änderte sich dies im nächsten Augenblick, denn obwohl sie lief, schien sie auf der Stelle stehenzubleiben. Als ob sie auf einem Transportband ging.
Seltsam…
Und dann bewegte sich ihr Gesicht. Es war kein Zucken oder ein Verziehen der Wangen, nein, sie sprach und deutete dabei mit der freien Hand auf die Schlinge.
Die Worte
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