0249 - Der Geist der Maschine
trat er auf den Kanal zu, der vom Plasmagenerator zum Meiler führte. Der Kanal war eine Art rechteckiger Röhre, etwa achtzigmal einhundertundfünfzig Zentimeter im Querschnitt, und von den Windungen einer Kühlschlange umgeben. Der Plasmastrom, der den Kanal durchfloß, hatte eine mittlere Temperatur von 12000 C, Der Kanal bestand aus ultrahitzebeständiger Metallplastik. Die Kühlschlange diente nicht dem Schutz des Kanals, sondern hatte zu verhindern, daß die überschüssige Hitze in die Umgebung abgestrahlt wurde. Das Innere der Halle hätte sich sonst innerhalb weniger Stunden bis auf unerträgliche Temperaturen erwärmt.
Durch die Kühlschlange floß hochverdichteter Wasserstoff, der seinerseits aus den Tanks kam und auf dem Weg zum Plasmagenerator war. Indem er als Kühlmittel diente, nahm er Wärme auf, die seine Umwandlung in Plasma, also ionisierten Wasserstoff, erheblich beschleunigte.
Vor dem Kanal, der in Mannshöhe wie eine Art Brücke zwischen dem Generator und dem Meiler stand, blieb Lott Warner stehen.
„Das ist die einfachste Möglichkeit", sagte er in seiner kurz angebundenen Art.
„Vielleicht möchtest du das näher erklären", quetschte Lucas hervor.
Steve war verblüfft. Er glaubte zu wissen, worauf Lott hinauswollte. Die Idee war genial in ihrer Einfachheit.
„Bis jetzt dachten wir", erläuterte Lott, „daß der Unbekannte seinen Bedarf da befriedigen würde, wo am meisten zu holen war - nämlich im Meiler. Der Meiler aber ist ein ziemlich unzugängliches Gebilde. Tief im Innern erzeugt er eine Unmenge Hitze. In der äußeren Hülle wird die Hitze durch thermochemische Prozesse in elektrische Energie umgewandelt. Wo soll man da ansetzen, wenn man energiehungrig ist? Der Meiler ist von einer zwei Meter starken abschirmenden Hülle umgeben, die jede Energieübertragung so abschwächt, daß sich die Mühe kaum lohnt. Aber hier, am Plasmakanal, sieht die Sache ganz anders aus. Plasma, das sind geladene Teilchen, ein mit Materie gekoppelter Strom aus reiner Elektrizität. Normalerweise fließt der Strom ungehindert dahin. Wenn aber jemand ihn in Schwingung versetzt, dann fängt er an, Energie abzustrahlen,"
„Jetzt redest du vernünftig!" schrie Lucas begeistert. „Alles, was das Monstrum braucht, ist ein kleines Steuergitter..."
„Das Gitter ist schon da", erklärte Lott gelassen. „Die Kühlschlange! Sie ist an beiden Enden und außerdem gegen den Kanal isoliert. Man braucht nur eine kleine Wechselspannung anzulegen, und schon fängt das Plasma an zu schwingen."
Steve wußte intuitiv, daß Lott ins Schwarze getroffen hatte. Eine einfachere Möglichkeit, Energie abzuzapfen, gab es nicht. Eine Wechselspannung, an die Kühlschlange angelegt, würde den Plasmafluß im Innern des Kanals abwechselnd bremsen und beschleunigen. Ein wechselweise beschleunigter und gebremster Fluß elektrisch geladener Teilchen erzeugte elektromagnetische Strahlung. Bei der ungeheuren Ladungsdichte des Plasmastroms mußte die geringste Steuerspannung schon genügen, um Energien von mehreren Megawatt durch Abstrahlung freizusetzen.
Die Kühlschlange übte dabei dieselbe Funktion aus wie das Steuergitter einer Triode.
„Auch damit hast du recht", gab Lucas zu. „Jetzt fragt sich nur noch, wie das Ding die Steuerspannung zustande bringt."
„Es ist ein Energiewesen", gab Lott zu bedenken. „Es fällt ihm wahrscheinlich nicht besonders schwer, eine kleine, hochfrequente Wechselspannung zu erzeugen." Lucas sah ihn von der Seite her an. „Das mag schon sein", gab er zu. „Aber wer wird sich beim Essen schon gerne anstrengen? Stell dir vor du wärest durstig und müßtest Wasser aus einem Brunnen trinken, der nur dann etwas von sich gibt, wenn du kräftig auf den Pumpenhals schlägst, und zwar andauernd und in rascher Folge. Würdest du beim Trinken lieber auf der Pumpe herumklopfen, oder dir einen automatischen Hammer besorgen, der dir die Arbeit abnimmt?"
Lott verzog das Gesicht, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. Steve lachte.
„Sie stellen sich das Ungeheuer ein bißchen zu menschlich vor", gab er Lucas zu bedenken. „Es konnte Ihrem Vergleich mit der Pumpe wahrscheinlich gar nicht folgen. Wir müssen uns vor Augen halten, daß wir es hier mit einem völlig andersartigen Geschöpf zu tun haben. Vielleicht gehört das Erzeugen einer leichten Wechselspannung zu seinen automatischen Lebensprozessen wie für uns das Atmen. Es brauchte sich dann nur vor den Kanal zu stellen ..."
„Aber
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