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0249 - Die Stunde der Bestien

0249 - Die Stunde der Bestien

Titel: 0249 - Die Stunde der Bestien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Stunde der Bestien (2 of 2)
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Angeles. Ein gewisser Pedro Miguel Juandorez schrieb an ›seinen untreuen Freund‹, womit zweifellos der Kapellmeister gemeint war. In höflichen Wendungen erinnerte Juandorez an die Tatsache, dass er seinem Freund vor drei Monaten eintausend Dollar geliehen habe. Es sei ihm furchtbar peinlich, dass er ihn daran erinnern müsse. Aber das-Versprechen, den Betrag innerhalb von vier Wochen zurückzuzahlen, sei ja nicht eingehalten worden. Obendrein sei der Empfänger offenbar jedem Kontakt mit Juandorez peinlich sorgfältig aus dem Wege gegangen. Er möge entschuldigen, aber eigene Verpflichtungen…
    Dasselbe Lied in einer anderen Tonart. Ich fand noch ein Schreiben dieser Art von einer Frau aus Chicago. Die Summe; achthundert Dollar. In der Kommode hatten außerdem vier Pfandscheine von Pfandhäusern in verschiedenen Städten gelegen. Die Pfandobjekte waren eine Jazztrompete, eine Violine, zwei Herrenanzüge, eine goldene Armbanduhr.
    Ich steckte alles in meine Brieftasche. Wie oft hatte ich solche Situationen schon erlebt. Im Chinesenviertel von San Francisco verkauften alte, ausgemergelte Chinesen ihre halbwüchsigen Töchter, um Geld für die nächste Pfeife Opium zu erhalten. In New-York veruntreute vor mehreren Jahren ein Buchhalter innerhalb eines Jahres fast elftausend Dollar, damit er sich sein Kokain kaufen konnte. Die Liste dieser Namenlosen würde ganze Bibliotheken füllen. Und irgendwo in der Welt sitzen ein paar große Bosse des Rauschgiftgeschäftes. Ein paar Multimillionäre, die Zollbehörden bestechen, Matrosen kaufen, Schiffskapitäne erpressen und unter Druck setzen, die buchstäblich am Elend der Süchtigen goldene Berge verdienen.
    Ich blickte mich flüchtig um, als ich meine Durchsuchung beendet hatte. Es kostete mich einige Mühe, ein gelassenes Gesicht zu zeigen, als ich wenig später zwischen den Wohnwagen dahinschlenderte.
    »Mister Kenton«, flötete eine zarte Stimme.
    Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu erfahren, wem diese Stimme gehörte.
    »Ja, Miss Marchese?«, erwiderte ich ergeben.
    Sie trug wieder ihren Hausanzug: Das Sonnenlicht schuf auf dem Goldbrokat flimmernde Lichtreflexe. Ich ging zu ihr hin. Sie stand oben, auf der obersten Stufe der kleinen Treppe, die zur Tür ihres Wohnwagens hinaufführte. Den Kopf hielt sie schräg, die Lider waren wie schläfrig halb geschlossen.
    »Was ist denn heute Morgen für eine Aufregung?«, fragte sie.
    Ihre Stimme klang girrend. Vermutlich konnte sie nichts dafür, dass sie pausenlos kokett war. Es schien ihre Natur zu sein.
    Ich machte eine wegwerfende Geste.
    »Nichts Besonderes, Miss Marchese. Zuerst war der Elefant los, der Bulle, und da gab es natürlich einige Aufregung, bis man ihn wieder eingefangen hatte. Zum Glück hat er keinen Schaden angerichtet. Na ja, und dann fand irgendjemand den Kapellmeister in seinem Wohnwagen.«
    »Unseren Musikdirektor?«, kam es spöttisch von ihren Lippen. »Wieso fand man ihn in seinem Wagen? Ist er betrunken?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, Miss Marchese. So kann man das wohl nicht nennen. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten. Alle beide. Ich frage mich, wie er das noch beim zweiten Arm konnte.«
    »Das ist ja entsetzlich«, sagte sie, aber ihre Stimme klang so wie bei anderen Frauen, wenn sie sagen: ›Ach nein, wie entzückend‹. Es lag so wenig ehrliche Empfindung in ihren Worten, als spräche sie vom neuesten Klatsch über die jungen Herrschaften im Weißen Haus.
    Wir wechselten noch ein paar gleichgültige Worte, dann ging ich weiter. Dabei dachte ich. Seltsam, jeder andere hätte gefragt. Aber, um Gottes willen, warum wollte sich denn der Spanier überhaupt umbringen?
    Dagegen schien sich Lido Marchese für den Grund dieses Selbstmordversuches nicht zu interessieren. Oder kannte sie ihn etwa schon?
    ***
    Die Dinge trieben einem Höhepunkt zu, seit der Fußabdruck gefunden worden war, und jeder von uns dreien fühlte das. Während wir in den vergangenen Tagen mehr oder minder routinemäßig gearbeitet hatten, indem wir in Dutzenden von Gesprächen die Alibis von knapp zweihundert Artisten und Angestellten überprüft und dabei jene restlichen siebzehn Verdächtigen herausgesiebt hatten, erfasste uns jetzt eine fiebrige Unruhe, wie sie die Hoffnung, kurz vor der Aufklärung eines mysteriösen Gespinstes brutaler Verbrechen zu stehen, meistens hervorruft.
    Als Phil in den Cadillac stieg, der von Jack Miller gelenkt wurde, weil Phil vor Schmerzen den rechten Arm kaum bewegen

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