0249 - Mein Grab in der Teufelsschlucht
zu werden oder zu erfrieren.«
Carlo Lai war noch immer nicht so recht von den Vorschlägen des Reporters überzeugt, aber ihm blieb kein anderer Weg. Und eine bessere Lösung hatte er auch nicht.
»Kommen Sie!« Bevor Bill den Mann an der Schulter herumzog, schaute er in den Tunnel, wo er zuerst die beiden Augen gesehen hatte.
Sie lauerten noch immer.
Dann hörte er Carlos wütenden Schrei. Sofort zuckte Bill herum und richtete seinen Blick dorthin, wo auch Carlo hinschaute.
Der Mann aus Lenzerheide stand vor dem zweiten Tunnel und hielt die Arme ausgestreckt, als wollte er das Grauen umfassen, das ihm von dort entgegenstrahlte.
In der Tunnelmitte leuchteten zwei gefährliche Augen. Und im nächsten Augenblick waberte eine Flammenwand in die Höhe.
Sie zeichnete deutlich den Schatten einer zweiten Gestalt ab. Das war nicht Jane Collins, sondern ihre große Meisterin.
Wikka!
***
Jane und Wikka! Ein Duo, ein Tandem. Meisterin und Schülerin.
Zwei, die sich hervorragend ergänzten, das wußte auch Bill Conolly, denn er hatte Wikka in London kennengelernt, als die Stadt unter dem Hexenwahn stöhnte. [4]
Damals hatte noch Gordon Schreiber zu ihr gehört, der Eigentümer der Seelenburg, doch Schreiber existierte nicht mehr. Ihn hatte der Teufel geholt.
Trotzdem war Wikka gefährlich genug geblieben. Ihren Machtbereich hatte sie sogar noch ausgeweitet, denn sie wußte Asmodis auf ihrer Seite. Und Jane Collins wiederum war Wikka ergeben.
Ein teuflischer Kreislauf, eine Rechnung der Hölle, die für Wikka und Jane immer aufging.
Plötzlich war Bill klar, wie diese unerklärlichen Dinge hatten geschehen können. Wikka mit ihren Hexenkräften hatte die Materie so radikal verändert und voll eingegriffen.
Noch immer waberte das Feuer.
Die Flammen waren ein Zeichen dieser Hexe und gleichzeitig auch Schutz, denn jeder wäre verbrannt, nur sie nicht.
Carlo verlor immer mehr die Nerven. Er packte Bills Arm und schüttelte den Reporter durch. »Verdammt, was ist das?«
»Noch eine Hexe!« erklärte der Reporter grimmig. Er sah aber auch das Wesen mit den glühenden Augen. Vor der Flammenwand zeichnete es sich ab, und der gute Bill wunderte sich ebenfalls über das seltsame Aussehen.
Affenähnlich. Wie die Legenden es beschrieben…
Carlo atmete schwer. »Wir kommen nicht weg«, sagte er. »Verdammt, wir kommen nicht weg.«
»Höchstens in die Schlucht!«
»Sie wollen?«
»Sehen Sie eine andere Möglichkeit?«
»Nein…«
Die beiden Männer wichen zurück. Kaum hatten sie zwei Schritte getan, als sie vor sich ein dumpfes Dröhnen hörten. Augenblicklich blieben sie stehen.
»Das ist ein Wagen!« flüsterte Carlo. »Vielleicht sogar ein Lkw.«
»Und er fährt in den Tunnel«, gab Bill Conolly ebenso leise zurück. »Mein Gott…« Noch hörten sie den Wagen nur. Die Scheinwerfer waren nicht zu erkennen, zudem blendete das Feuer stark.
Wenn das Gefährt in die Flammenwand raste, waren Mensch und Fahrzeug verloren, das stand fest.
»Was machen wir?« fragte Carlo.
»Nichts, gar nichts. Wir gehen in Deckung.«
»Und der Wagen?«
»Soll ruhig kommen.«
Bill und Carlo zogen sich zurück. Fast hatten sie den Eingang erreicht. Und dort blieben sie.
Die Flammenwand fiel zusammen, als wäre aus der Tunneldecke ein gewaltiger Regenschauer nach unten gerauscht. Nichts war mehr zu sehen, kein Feuer, keine Hexe und auch nicht das von ihr geleitete dämonische Wesen mit den gelbroten Augen.
Die Straße war frei.
»Das gibt es doch nicht!« hauchte der Schweizer. »Sollten wir Glück haben?« Er bebte.
Bill enthielt sich eines Kommentars. Er schaute direkt in den Tunnel hinein, wo die Dunkelheit förmlich von den beiden Lichtlanzen der Scheinwerfer zerrissen wurde. Sogar die grauen Innenwände des Tunnels waren zu erkennen, auf der leeren Straße lag der helle Teppich, und der Lärm des fahrenden Wagens dröhnte innerhalb des Tunnels, so daß das Mauerwerk zu vibrieren schien.
»Lange können wir nicht mehr warten!« Carlo mußte laut rufen, um sich verständlich zu machen.
»Einen Augenblick noch.«
»Nein.« Der Schweizer nahm den Rat des Reporters nicht an, sondern startete.
»Mensch, sind Sie…« Bill verkniff sich die weiteren Worte, denn es hatte keinen Sinn mehr. Carlo Lai war nicht zu belehren, man konnte nur hoffen, daß er in seiner wilden Panik nicht genau das Falsche tat.
Schon geriet er in den Lichtschein der Lampen, blieb stehen und winkte mit beiden Armen.
Die Hupe dröhnte.
Es war
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