0252 - Die Tochter des Totengräbers
nicht genau.«
»Nein, wir müssen nur tun, was sie wollen. Dann wird alles wieder gut werden.«
»Ich vertraue dir!« Thelma sagte diese drei Worte, doch ihr Mann wußte, daß sie nicht ehrlich gemeint waren. Hier konnte keiner einem anderen vertrauen. Er selbst suchte ja auch nach einem Plan, um aus dieser Lage auszubrechen, doch er hatte bisher keinen gefunden. Wäre das Mädchen eine Fremde und nicht seine Tochter gewesen, dann hätte er geschossen, daran gab es nichts zu rütteln.
»Seid ihr soweit?« Marions Stimme unterbrach den Gedankenkreislauf des Totengräbers.
Jason Price nickte.
»Dann kommt mit.« Marion kannte den Weg in die düsteren Kellerräume.
Sie hatte sich oft genug dort aufgehalten, im Gegensatz zu ihrer Mutter, der dieser Keller unheimlich war. Sie hatte immer das Gefühl gehabt, als würde er überhaupt nicht zu dem Haus gehören. Er war irgendwie anders. Das fing bei den Mauern an, die aus seltsamen Steinen bestanden. Dicke, würfelartige Gebilde, die aussahen, als hätten sie Urzeiten überdauert. Diese Steine mußten viel gesehen haben. Reden konnten sie nicht. Wenn doch, hätten sie sicherlich viele Greueltaten erzählt, denn die Vergangenheit dieses Hauses war mit Blut und Tränen geschrieben.
Das Ehepaar wurde in die Mitte genommen. Die Tochter schritt rechts der beiden, der Zombie links. Er hielt sich an der Seite der Frau auf, bewegte im Rhythmus der Schritte seinen Knochenarm, wobei es sich nicht vermeiden ließ, daß er Thelma Prices Hand hin und wieder berührte.
Es durchzuckte sie jedesmal wie ein Schlag, wenn sie die kalten Knochen des lebenden Toten spürte. Automatisch dachte sie dabei über ihre Lage nach, und jedesmal, wenn sie berührt wurde, kam es ihr wieder neu zu Bewußtsein.
Thelma konnte ihre Gefühle nicht beschreiben. Angst herrschte vor, das stand fest. Die Halle im Erdgeschoß kam ihr seltsam fremd vor. Was immer so vertraut gewesen war, entwickelte sich zu einem Zerrbild. Und ein Zerrbild war das Ganze für sie, obwohl sie sich in der Realität bewegte.
Man konnte von der Diele her in den Keller gehen. Eine Treppe führte hinunter. Die Stufen bestanden aus Stein, und der Keller war völlig normal.
Allerdings gab es noch einen zweiten, den wesentlich älteren. In ihm hatte der Richter seine Unterlagen aufbewahrt.
Alte Akten, seltsame Schriften und Gegenstände, von denen Thelma nichts wußte. Es war ihr nicht erlaubt gewesen, diesen Trakt zu betreten. Sie hatte sich daran gehalten. Zudem fürchtete sie sich vor dam zweiten Keller, denn er war ihr nicht geheuer, obwohl sie ihn nie betreten hatte.
Jetzt würde sie ihn zum ersten Mal betreten.
Die Umgebung, durch die sie jetzt schritten, war ihr vertraut. Fast jeden Tag war sie hier hinuntergegangen, um Vorräte für die Küche zu besorgen, und sie hatte die Tür zum anderen Trakt immer nur mit scheuen Blicken gestreift.
Nun ging sie geradewegs darauf zu.
Jason schritt neben ihr her. Manchmal berührten sie sich auch, und dann durchströmte die Frau ein Gefühl der Geborgenheit.
Sosehr sie sich mit ihrem Mann auch immer gestritten hatte, jetzt war sie froh, ihn an ihrer Seite zu wissen.
Der Zombie wurde unruhig. Er hielt nicht mehr Schritt, wußte sich dicht vor dem Ziel, und er ging schneller als die anderen drei.
Vor der Tür blieb er stehen, legte seine Knochenhände gegen das Holz und kratzte damit über die rauhen Bohlen.
Das Geräusch erzeugte bei Mrs. Price eine Gänsehaut. Sie schüttelte sich.
Einen Schlüssel zu diesem Trakt hatte sie nie besessen. Auch ihr Mann nicht. Wenn die Tür aufgeschlossen werden sollte, mußte das die Tochter übernehmen.
Marion hielt ihn bereits in der Hand. Es war ein alter Schlüssel, ebenso wie das Schloß. Der Schlüssel schimmerte schwarz. Marion drückte den Richter zur Seite und schloß auf.
Thelmas Herz schlug schneller. Sie atmete heftig. Dieser Keller bereitete ihr große Furcht, denn sie wäre freiwillig nie hergekommen und suchte auch jetzt noch nach einem Fluchtweg, doch der Zombie ließ die beiden nicht aus den Augen.
Quietschend und knarrend schwang die Tür nach innen, wobei Marion Price vor der Schwelle stehenblieb, eine Art Verbeugung andeutete und ihren linken Arm vorstreckte.
»Bitte, tretet ein! Seid willkommen im Reich der Verstorbenen…«
***
Der Ghoul kam, und ich war gefesselt. Plump und schwerfällig wirkte er, aber ich durfte ihn nicht unterschätzen. Wenn es für einen Ghoul um alles ging, dann wurde er zu einer Bestie.
Zudem
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