0253 - Judys Spinnenfluch
Ja, ich störte sie in der Tat, denn in diesem Hause passierte etwas, was keiner begreifen konnte. Ich hatte den Spinnenfluch entdeckt. Das Haus ist auf einem Boden gebaut worden, der vor urlanger Zeit als Kultstätte diente. Hier haben Menschen oder menschenähnliche Wesen dem Spinnenzauber gefrönt. Sie beteten den Spinnen-Dämon an, ein grauenvolles Monster, das auf den Namen Kalifato hörte. Ich habe eine alte Schrift gefunden. In Stein waren die Beschwörungen eingemeißelt worden, und ich konnte sie aktivieren. Ich habe das Serum gefunden, das den Tod zwar nicht überwindet, ihn jedoch in Grenzen hält. Und dir, meine Liebe, habe ich das Serum zu trinken gegeben. Du hast es sicherlich gemerkt.
Dein Blut ist verändert worden. Es fließt nicht mehr so normal durch deine Adern wie zuvor, es hat eine andere Zusammensetzung bekommen, denn du bist infiziert worden. Leider konnte ich nicht verhindern, daß man dich blendete, aber ich habe dich durch diesen Trank unsterblich gemacht. Unsterblich in meinem und in Kalifatos Sinne, denn du wirst den Spinnenfluch für immer behalten. Wenn du stirbst, kannst du mit Freuden ins Grab steigen, denn du kommst zurück als Spinne. Es gibt jedoch Tage, da wirst du dieses Dasein schrecklich finden, und deshalb habe ich den Trank ein wenig verändert. Dir, liebe Judy, wird es gelingen, die Verwandlung zu steuern. Du kannst einmal als Spinnenmonstrum erscheinen, dann wieder als normaler, allerdings blinder Mensch.
Das alles spielt keine Rolle. Wichtig ist, daß du überlebst…‹ Nachdem Judy diese Worte im Traum vernommen hatte, wälzte sie sich unruhig von einer Seite auf die andere. Ihre Arme zuckten dabei, sie spreizte die Hände, so daß ihre Finger schon das Aussehen von Spinnenbeinen bekamen.
Ein paarmal stöhnte sie noch, zudem wartete sie darauf, daß sich ihr Vater aus dem Reich der Toten noch einmal melden würde, und sie hatte nicht umsonst gehofft.
›Ich möchte dich noch um einen kleinen Gefallen bitten, Judy, den du mir und auch dir selbst erfüllen mußt. Nimm die sechs Toten und wirf sie in den finstersten Keller. Dort sollen sie bleiben und für ewig verflucht sein. Sie werden sich verändern, sie werden aber nicht sterben, denn sie erleben die Hölle. Sie haben gegen mich gekämpft, ich habe mich schlagen lassen, aber ich habe es geschafft, auch ihnen Wunden zuzufügen, Bißwunden, meine Kleine, denn in der Zeit, als du draußen warst, habe ich mich in die Seele der Spinne hineinversetzen können und mich verwandelt. Dabei bist du allein ausersehen, mein Erbe fortzuführen. Wenn es auch so aussehen sollte, aber die Menschen haben nicht gesiegt. Dämonen sind stärker, und merke dir den Namen Kalifato. Merke ihn dir gut. Ihn kannst du anrufen, er wird dich hören und dich vielleicht, wenn du einmal nicht auf der Erde weilen willst, in die Leichenstadt holen, wo du unter deinesgleichen bist. Cheerio, meine kleine Judy. Denk an das Erbe deines Vaters, der alles nur für dich getan hat…‹ Nach diesen Worten erwachte Judy. Zuerst wußte sie nicht, wo sie sich befand. Sie öffnete die Augen und war erschreckt darüber, daß sie trotzdem nichts sehen konnte.
Alles war und blieb dunkel.
Nur befand sich eine seltsame Dunkelheit um sie herum. Keine natürliche Finsternis, sondern eine absolute, die nicht durch den winzigsten Lichtstrahl unterbrochen wurde.
Da fiel ihr ein, daß sie blind geworden war.
Und plötzlich erinnerte sie sich auch wieder an die Ereignisse der vergangenen Nacht. Alles kam wieder zurück, aber auch der Traum stand plötzlich mit erschreckender Deutlichkeit vor ihrem geistigen Auge und ließ sie zittern.
Was war nur geschehen?
Judy setzte sich hin. Mit dem Rücken lehnte sie gegen die Wand.
Sie dachte intensiv über ihren Traum nach, der vielleicht keiner gewesen war, denn so deutlich hatte sie sich noch nie an einen Traum erinnern können. Ihr kam es vor, als hätte sie das alles selbst und wahrhaftig erlebt.
Judy war aufgeregt. Nervös öffneten und schlossen sich ihre Hände. Auf ihrer Stirn perlte der Schweiß. Das Blut rauschte durch ihre Adern. Hatte der tote Vater nicht von einer anderen Zusammensetzung gesprochen? Ja, er hatte ihr den Spinnentrank gegeben, damit der Fluch weiterwirken konnte, und Judy war fest entschlossen, das Vermächtnis ihres Vaters zu erfüllen.
Sie stand auf.
Auf einmal dachte sie wieder klar und scharf nach, verbannte alles andere aus ihrem Gehirn und konzentrierte sich allein auf ihre neue
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