0257 - Der Schädel des Hexers
zum Glück…«
Auch sie verließen die Gruft. Ihr Vater stand schon fast an der Haustür.
Er winkte. »Beeilt euch, wir haben noch einiges zu tun.«
Wenn der Alte etwas sagte, war das für seine Kinder wie ein Evangelium. Sie rannten alle drei, und niemand dachte mehr daran, die Tür der Gruft abzuschließen…
Anny, die Haushälterin, erwartete sie in der Diele. »Sie kommen aber spät«, erklärte sie in einem vorwurfsvollen Tonfall. »Das Essen ist fast verschmort.«
»War jemand da?« fragte der alte McLellan, ohne auf die Vorwürfe seiner Haushälterin einzugehen.
»Nein. Und überhaupt. Weshalb sind Sie so grantig, Isaak?« Anny konnte sich diesen Tonfall erlauben. Als junges Mädchen hatte sie bereits bei den McLellans gearbeitet. Sie gehörte praktisch zur Familie und hatte auch mitgeholfen, die Kinder von Isaak McLellan aufzuziehen.
»Ich bin nicht grantig, ich muß nur achtgeben, daß unsere Feinde uns nicht überrollen.«
Anny bekam große Augen. »Die McLions?«
»Ja, sie waren da, und du hast nichts gesehen.«
Anny bekam einen roten Kopf. Jetzt wogte ihr Busen noch heftiger.
»Aber ich konnte doch nicht. Ich mußte…«
»Schon gut, schon gut.« Isaak winkte ab.
»Gedeckt habe ich im Eßzimmer.«
»Räum es wieder ab!« knurrte der Mann. »Wir werden nichts essen.«
Diesmal erwiderte die Haushälterin nichts. Auch sie wußte, wann sie den Mund zu halten hatte.
Die Familie versammelte sich im großen Wohnraum. Der Alte trat sofort an den Waffenschrank und schloß ihn auf. »Nehmt euch, was ihr braucht«, sagte er zu seinen Kindern.
Ronald erkundigte sich, ob er einen Angriff erwartete.
»Nicht direkt, aber die McLions werden natürlich Nachforschungen anstellen und bei uns beginnen.«
Diesem Argument hatte niemand etwas entgegenzusetzen, und so holten die Brüder Gewehre aus dem Waffenschrank, während Gilda bei ihrer Maschinenpistole blieb.
Eine Weile wurde nicht geredet. Man trank Whisky. Isaak schenkte aus einer Karaffe ein. Sein Gesicht hatte einen finsteren Ausdruck angenommen. Er wälzte schwere Gedanken und dachte auch an die Folgen des Mordes.
»Falls die Polizei kommt«, sagte er und drehte das Glas zwischen den Händen, »ist es klar, daß niemand von uns etwas gesehen oder gehört hat.«
Seine Kinder nickten.
Das war ja das Gute an dem Clan. Da konnte sich jeder auf den anderen verlassen. Einer für alle — alle für einen, so lautete die Devise der großen schottischen Clans. Und hier im Haus hatte sich nur der harte Kern versammelt.
Draußen war es dunkel geworden. Fast schwarz war der Himmel. Es gab kaum Wolken. Vereinzelt blinkten Sterne. Und die Berge sahen noch dunkler aus.
»Das ist seine Zeit gewesen«, murmelte der alte McLellan.
»Wessen Zeit?« fragte Gilda.
»Die des Hexers.« Isaak nahm einen kräftigen Schluck. »Gideon ist nachts immer losgegangen. Er führte seine Beschwörungen nie im Haus durch, sondern in der Natur. Dort wollte er mit den Geistern der Erde und denen der Hölle Kontakt aufnehmen. Er hat es sogar geschafft, und selbst der Tod konnte ihn nicht besiegen.« Scharf drehte er sich um und schaute seine Kinder an. »Als ich das Testament las, da wußte ich genau, daß ich meine mir übertragenen Verpflichtungen auch einhalten würde.«
»Ist er unsterblich?« fragte Irvin.
»Ja und nein.«
»Das verstehe ich nicht.«
Isaak ärgerte sich ein wenig. »Ich habe es euch doch schon einmal gesagt. Er hat den Satan beschworen. Es ist ihm gelungen, aber der Teufel konnte ihm keine Unsterblichkeit geben. Wenigstens nicht die, die wir meinen.«
»Dafür lebt sein Geist«, wandte das Mädchen ein.
»Ja, der lebt. Und sein Schädel. Es war wichtig, daß wir ihn aus der Erde holten.«
»Wußten die McLions davon?«
Isaak schaute seine Tochter an und nickte. »Leider haben sie Wind davon bekommen. Deshalb ist es ihnen ja auch gelungen, den Schädel zu stehlen. Aber sie werden sich noch wundern. Die Rache trifft sie voll.«
»Was hatten sie nur vor?« dachte Irvin laut nach.
»Sie wollten dem Kopf die Magie nehmen. Ist doch ganz einfach«, erklärte sein Vater.
»Geht das denn?«
»Vielleicht…«
»Und die anderen Köpfe?« fragte Gilda.
»Stehen alle unter dem magischen Befehl des Hexers. Er manipuliert sie. Diese Köpfe tun genau, was er will.« Isaak schaute seine Kinder der Reihe nach an. »Auch eure Schädel werden irgendwann einmal in der Gruft stehen und morden, wenn der Hexer es will. So sieht es die Geschichte, der Familie
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