0257 - Der Teufel mit dem Lorbeerkranz
Bevor sie erkannten, was der Zweck dieser Verzweiflungsaktion war warf sich der Parapsychologe über die herabgefallene Fackel. Wenn ihm die Flamme auch die Arme versengte so zerstörte sie doch auch die Handfessel. Ein kräftiger Ruck - mit peitschendem Klang zersprangen die Stricke, die ihn banden.
Bevor einer der überraschten Prätorianer zu einer Aktion fähig war, sprang Zamorra vor und riß einem der Soldaten das Kurzschwert aus der Scheide. Schweratmend stand er vor ihnen, wie ein Tiger, den die Jäger in die Falle getrieben haben.
Niemand hatte auf die fünf Neuankömmlinge geachtet, die das Schauspiel interessiert verfolgten. Besonders einer von ihnen war ein wahrer Herkules.
»Zurück!« kommandierte der Zenturio. »Es ist nicht nötig, daß wir uns in Gefahr bringen und ihm die Möglichkeit geben, zu kämpfen. Zielt mit den Speeren! - Werft!«
»Die Löwen werden ihn auch als Toten fressen!« kicherte einer der Tierwärter. Sie waren froh, daß sie nicht zum Kampf mit diesem Mann gezwungen wurden. Zamorra war in ihren Augen ein toter Mann.
Speere hoben sich in den Fäusten der Prätorianer. Die Oberkörper der Männer bogen sich zurück, um dem Wurf mehr Schwung zu geben.
»Halt!« peitschte eine Stimme auf. Der schneidende Klang ließ keinen Widerspruch zu.
»Wer wagt es, meine Befehle…?« wollte der Zenturio fragen. Doch die Worte blieben ihnen im Halse stecken, als er die mächtige Gestalt sah, die sich vor ihm aufbaute.
»Ihr werdet ihn nicht töten!« grollte es aus dem Munde des Hünen.
»Bei Wotans Speer und Donars Hammer! Ihr Römer werdet es nicht wagen, diesen Mann zu erschlagen, wie eine Hundemeute den gestellten Eber zerreißt. Einen solchen Helden tötet man im Kampfe Mann gegen Mann. Nun, wer von euch will es versuchen?«
»Ursus! Ursus!« flüsterte es ringsum. »Ursus, der Gladiator! Der Stärkste, den die Wälder Germaniens je hervorgebracht haben!«
»Ich meine… ich wollte…!« stotterte der Zenturio und wurde merklich kleiner, je näher ihm der Germane kam. »Er ist ein Feind des Kaisers und…!«
»Weißt du, was er ist?« grollte Ursus. »Er ist ein Gladiator! Ein Mann, der so zu kämpfen versteht, soll nicht wehrlos den Löwen vorgeworfen werden. Ihm sei es vergönnt, mit der Waffe in der Hand zu sterben, damit ihn in der Stunde seines Todes die Walküren hinauf nach Walhalla geleiten!«
»Bürgst du für ihn, daß er nicht fliehen wird?« fragte der Zenturio mißtrauisch.
»Wie sollte er fliehen können, wo nur die Freien unter uns das Amphitheater verlassen können?« lautete die Gegenfrage. »Auch mich hält man hier fest, damit ich nicht vor dem Kampf entfliehe. Ha, das wäre der erste Kampf, dem ich ausgewichen wäre! Sorge dich nicht, Römer, du wirst diesem Mann bei den Spielen in der Arena sehen. Und wenn ihm Ursus noch einige Tricks beigebracht hat, wird er es sogar mit dem Tedraides aufnehmen können… !«
***
Befriedigt betrachtete Locusta den Stab, den ihr die seltsamen Wege des Schicksals in die Hände gespielt hatten. Sie erkannte mit ihrem scharfen Blick, daß unter dem geschnitzten Katzenkopf am oberen Ende sich das Konterfei eines Alptraumgeschöpfes befand. Und sie sah, daß die Runenschrift auf dem Stab entfernt identisch mit jenen Zeichen und Symbolen war, die sich auf dem Flammengürtel befanden, den sie ständig trug.
Locusta hatte viele der verbotenen Bücher gelesen und ahnte viele Zusammenhänge. In den geheimen Winkeln ihrer Behausung bewahrte sie geheime Abschriften jener Bücher auf, die von der geheimnisumwitterten Sibylle von Cumä vor den Augen des Königs Lucius Terquinius Priscus verbrannt worden waren.
In ihnen waren keine Prophezeiungen enthalten, sondern Legenden aus den Tagen, als die Welt noch jung war. Von glänzenden Königreichen und gewaltigen Schlachten war dort geschrieben, von einem fürchterlichen Schwarzzauberer mit dem Namen Amun-Re und jenem Kriegerkönig Gunnar. Aber auch von dem Gürtel, den sie trug, war die Rede.
Der Flammengürtel von Ehycalia-che-yina, in dem die Macht der Hexen von Boroque lag.
Aber zum Ärger der Locusta stand dort nicht geschrieben, wie man die Macht des Flammengürtels nutzen konnte. Nur zufällig hatte die Hexe manchmal festgestellt, wann und zu welchen Gelegenheiten der Gürtel eingesetzt werden konnte. In den Schriften war seine Macht jedoch größer und vernichtender geschildert worden. Aber Locusta war eine echte Zauberin und wußte, daß man nur Kräfte, die man beherrschen
Weitere Kostenlose Bücher