0257 - Ein Grabstein ist kein Kugelfang
Nachbarhaus. Die Hintertür dieses Hauses ist zugemauert. Offenbar war man sich einmal Über die Benutzungsrechte des Hofes nicht einig. Die Fenster des Nachbarhauses liegen ziemlich hoch. Die beiden anderen Seiten des Hofes werden von einer hohen Ziegelsteinwand begrenzt.«
»Na, dann los! Wo steckt übrigens Smith?«
»Wird gleich wiederkommen. Wollte sich nur rasieren lassen, in dem Friseursalon nebenan.«
Wir warteten noch knapp drei Minuten, bis Smith zurückkam. Der Anzug des jungen Detektivs der City Police war verknittert. Man sah Smith an, daß er schon ziemlich lange auf den Beinen war unsere Frage danach bejahte er und erzählte uns, er habe Nachtdienst machen müssen und sei heute morgen zu Kysellas Beschattung abkommandiert worden.
Smith deutete an, daß er darin eine Schikane seines Vorgesetzten Polizeioffiziers sehe, mit dem er nicht sonderlich gut auskomme.
Wir schickten Smith nach Hause, und er war uns dankbar dafür. »Meine Frau wird staunen, daß ich schon rasiert bin«, sagte er lächelnd. »Macht einen guten Eindruck. Ich bin nämlich erst seit vier Wochen verheiratet.«
Wir lachten, und Phil sagte: »Mit uns schimpft niemand, wenn wir stoppelbärtig sind. Cheerio auf die Freiheit der Junggesellen!«
Wir stießen mit Bier und Kaffee an, zahlten dann und verließen der Drugstore.
Smith machte sich auf den Heimweg, und wir trabten über die Straße zu Sullivans Hotel, dessen Empfangschef immer noch über einer drei Tage alten Ausgabe der New York Times schlief. Wir ließen ihn pennen und fuhren in den 4. Stock empor, wo Kysellas Apartment lag.
Niemand begegnete uns. Das Haus war wie ausgestorben. Die Flure waren so verlassen, als sei das Haus unbewohnt.
Der schmucklose Korridor im 4. Stock hätte dringend restauriert werden müssen. Sein einziger Schmuck war ein verschlissener Läufer undefinierbarer Farbe, dessen Ränder lappig ausgefranst waren.
Der einzige Vorteil dieser Textilunterlage bestand darin, daß sie unsere Schritte dämpfte. Wir kamen vor der Tür zu Kysellas Apartment an, und ich bückte mich, um nach dem Schlüsselloch zu sehen.
Ich hatte erwartet, daß der Schlüssel, von dem Walter Stein gesprochen hatte, von innen steckte. Aber ich sah mich getäuscht.
Nichts steckte im Schloß der Tür. Ich hatte den Blick frei auf eine helle, leicht im Wind schwingende Gardine, die vor einem spaltbreit offenen Fenster hing.
Ich richtete mich erschrocken auf. »Er ist nicht drin. Der Schlüssel steckt nicht mehr.«
»Was nun?« fragte Phil.
»Er kann das Haus noch nicht verlassen haben«, sagte Walter Stein schnell. »Bis ihr kamt, war er mit Sicherheit noch in seinem Zimmer. Begegnet ist er uns nicht. Also muß er noch im Hause…«
»Die Treppe«, fiel ich meinem Kollegen ins Wort und sprintete los.
Während Walter die Apartmenttür bewachte, benutzte Phil den Lift. Ich sprang in langen Sätzen die Treppe hinunter, prallte gegen eine rothaarige Frau, die erschreckt aufkreischte, murmelte eine Entschuldigung und sauste weiter.
Als ich an der Reception vorüberzischte, hob der Portier den Kopf und glotzte mich erstaunt an.
Ich stoppte meine eilige Fahrt, machte auf dem Absatz kehrt, schoß auf die Reception zu und fragte den verdutzten Mann: »Ist Mr. Kysella hier eben vorbeigekommen?«
Der Alte nickte.
»Wann?«
»Vor einer Minute oder so, ich…«
Den Rest hörte ich nicht mehr. Ich preschte auf die Straße und sah mich nach allen Seiten um. Ich trabte ein Stück in beide Richtungen, warf schnelle Blicke in die an das Hotel grenzenden Läden, aber ich konnte von dem dicken Selbstschützer nichts entdecken. Er war uns durch die Lappen gegangen.
Ich ging zurück zur Reception und fragte den Alten, ob Mr. Kysella den Lift benutzt habe oder die Treppe herabgekommen sei.
Der Portier sah mich vorwurfsvoll an und sagte, als sei es das Selbstverständlichste der Welt: »Mr. Kysella benutzt den Lift doch nie. Er kommt doch immer die Treppe herab. Er nimmt auch immer die Treppe, wenn er in sein Apartment will. Das ist sein tägliches Training.«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich hatte das ganz vergessen. Entschuldigen Sie bitte!«
Ich machte eine knappe Verbeugung und ging zur Liftkabine. Bevor ich sie betrat, drehte ich mich um und sagte: »Ich fahre mit dem Lift. Ich habe heute nämlich schon trainiert.«
Dann schwebte ich im Kuli-Bagger nach oben.
***
Phil und Walter standen vor der Apartmenttür und rauchten.
Mein Freund war vor mir wieder in den 4. Stock gefahren,
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