0258 - Der Dämonensauger
Vielleicht unterhielten sie sich aber auch zu Hause mit ihren Familien über die Vorfälle des Tages und iftieden den Pub.
Der Wirt sah die Frau fragend an. Es war in einem kleinen Ort wie diesem ungewöhnlich, daß eine Frau ohne Begleitung die Gaststätte betrat.
»Ich suche Mister Llandrysgryf«, sagte Hacel.
»Der ist oben«, sagte der Wirt. »Soll ich ihn holen…?«
»Oh, ich finde den Weg schon hinauf. Bemühen Sie sich nicht«, wehrte die Dämonin ab und marschierte die Treppe bereits hinauf, bevor der Wirt ihr klarmachen konnte, daß das doch eigentlich nicht so einfach ging. Einen Augenblick lang starrte er hinter ihr her, dann aber kümmerte er sich schulterzuckend wieder um die abendliche Abrechnung. Nun ja, die Frau mußte wohl wissen, was sie tat. Und überhaupt…
Was ging es ihn an, was seine Gäste taten? Es war ja niemand da, der Klatsch verbreiten konnte darüber, daß eine Frau das Hotelzimmer eines Junggesellen aufsuchte.
Kein Zeuge…
***
Rany Blescy verließ das Haus. Sie spürte, daß an der Vorderfront jemand auf sie lauerte, aber dieser Jemand war nicht der Vampir. Die Gedankenschwingungen waren artverwandt.
Sie überwachen mich, dachte sie. Meine eigene Familie!
Aber konnte sie es ihnen verdenken? Würde sie selbst nicht ebenso mißtrauisch sein, wenn jemand im Verdacht stand, abtrünnig zu werden?
Und eben das hatte sie doch vor.
Nur einen letzten Dienst wollte sie der Sippe noch erweisen. Und deshalb trug sie das Schwert Gwayjur bei sich. Sie verließ das Haus durch den Hintereingang, wo niemand mehr stand. Rany lächelte spöttisch in der Dunkelheit. Wahrscheinlich hatte dort Hacel gewartet. Hacel, die Ungeduldige.
Die Dämonin huschte durch die Dunkelheit. Binnen kürzester Zeit erreichte sie das Gasthaus, auch wenn sie sich dabei nicht an die normale Strecke hielt, sondern durch Hinterhöfe und Gärten schlich. Irgendwo war Hacel unterwegs, und die brauchte sie nicht zu sehen.
Und der Vampir, der sich an Dämonen heranmachte, auch nicht. Noch nicht…
Rany wollte ihre Aktion mit Gryf absprechen und dann mit diesem zusammen Pidfarne verlassen. Irgendwohin, wo niemand sie finden würde. Und selbst wenn, vermochten sie sich zu zweit den Nachstellungen der Sippe zu erwehren.
Sippe… Die würde dann nur noch aus dem vergreisten Colin und Hacel bestehen! Ein trauriger Rest.
Im Schatten blieb Rany stehen und überlegte. War es Zufall, daß ausgerechnet die Blescy-Sippe dahinschmolz? Hatten sie nicht in einem Langzeitplan über Jahrhunderte vor, den Fürstenthron für sich in Anspruch zu nehmen? War Asmodis ihnen vielleicht trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Tarnungen auf die Schliche gekommen und löschte nun durch den Sauger und durch ihr eigenes Mißtrauen die Sippe aus?
Nein, entschied sie. Sie waren niemals aufgefallen, und hellsehen konnte auch Asmodis nicht. Es mußte Zufall sein.
Aber einer von der bösartigen Sorte.
Rany sah am Haus empor. Sie beschloß, auch hier nicht den normalen Weg zu gehen. Die Fenster waren abgedunkelt, aber sie überlegte. Es gab nur eine Möglichkeit, wo Gryf stecken konnte.
Nicht hinter dem offenen Fenster. Das mußte eine Falle für den Sauger sein - den Dämonensauger. Eines der beiden anderen Zimmer rechts oder links daneben mußte er bewohnen, und mit Sicherheit war er da oben.
Rany Blescy nahm das Schwert wie ein Pirat zwischen die Zähne. Dann sprang sie die Hauswand an. Ihre Finger krallten sich fest, hafteten magisch. Gewandt wie eine Katze lief sie an der senkrechten Wand nach oben.
Sie wußte jetzt, in welchem Zimmer Gryf war.
***
Hacel blieb im Korridor stehen. Sie wußte nicht, in welchem Zimmer sie den Dämonenjäger Gryf finden konnte. Sie hatte unten nicht danach gefragt, und sie wollte jetzt auch keine Zeit damit vergeuden, nach seinen Gedanken zu forschen. Die meisten Weißmagier schirmten sich heutzutage so ab, daß selbst stärkere Dämonen in Schwierigkeiten kamen, wenn sie ihre Gedanken zu lesen versuchten. Seit dieser Erzgegner aller Dämonen, Professor Zamorra, eine Abhandlung darüber geschrieben hatte, wie man durch Autosuggestion eine Gedankenabschirmung erzeugt, machten sich mehr und mehr seiner Kampfgenossen diese Methode zu eigen.
Wenn es doch jemandem gelänge, Zamorra zu erledigen…
Hacel hatte davon gehört, daß Leonardo wiederauf erstanden sei. In ihn setzte sie Hoffnungen, war er doch der einzige, der Zamorra Paroli bieten konnte. Er mußte es nur bald tun…
Die Dämonin huschte zur
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