0259 - Ich stürmte den rollenden Sarg
Frühstückseis in den Mund. »Denk doch mal nach. Wer meldet schon einen Diebstahl von Kleidungsstücken? Nein, da verhaken wir uns.«
Genauer betrachtet hatte der Kommissar natürlich recht. Uns blieben also nur die Großfahndung und vielleicht der Zufall. Darauf wollte ich kein Haus bauen.
Als ich mich gesättigt zurücklehnte, hatte ich tatsächlich drei Brötchen gegessen. Sie schmeckten eben so gut. Ich schaute auf die gläserne Tür des Frühstücksraums und sah dort eine Bewegung.
Es war kein Hotelgast, der die Tür aufdrückte, sondern unser alter Freund und Kupferstecher Manfred Kölzer. Wie immer lief er sehr schnell und wurde noch schneller, als er uns sah.
Vor unserem Tisch blieb er stehen. »Nehmen Sie sich einen Stuhl«, sagte ich.
»Viel Zeit habe ich nicht.«
»Trotzdem. Wollen Sie auch etwas essen?«
Kölzer schaute auf unseren Tisch und schüttelte den Kopf. »Höchstens eine Tasse Kaffee.«
»In Ordnung.« Ich bestellte bei dem jungen Ober, und Kölzer konnte endlich berichten.
»Ein Satz«, sagte er, »alles zu spät.«
»Das heißt, sie ist entkommen.«
Kölzer nickte mir zu. »Genau.«
Ein anderer hätte vielleicht spöttisch reagiert, ich nicht. Dazu war die Sache viel zu ernst. Barbara Päuse war frei. Und das bedeutete eine große Gefahr.
Ich wischte mir über die Stirn, denn plötzlich war ich ins Schwitzen gekommen. Das sah alles sehr übel aus.
Die Frau befand sich auf einem Horror-Trip. Sie mußte ihrem unseligen Trieb folgen und töten. Konnte man es noch verhindern?
Kölzer erriet meine Gedanken teilweise. »Es hat keinen Toten in der Nacht gegeben.«
Das war schon viel wert.
»Wobei der Wertiger nicht unbedingt zu töten braucht«, warf Suko ein. »Eine Verletzung reicht.«
Der Kommissar aus Hamburg breitete die Arme aus. »Das ist allerdings eine Schwachstelle«, gab er zu.
Ich griff zu den Zigaretten. »Vielleicht haben wir Glück«, sagte ich.
»Unter Umständen war sie so geschockt, daß sie kein weiteres Opfer mehr angefallen hat.«
»Dies kann man nur hoffen«, erwiderte Manfred Kölzer. Er schaute auf seine Uhr und trank dabei den Kaffee. »Tut mir leid«, sagte er, »aber ich muß mich beeilen.« Er stand auf und schob den Stuhl zurück. »Und was haben Sie heute vor?«
»Wir warten auf Ihren Fahndungserfolg.«
Kölzer verzog den Mund. »Auf den Arm nehmen kann ich mich selbst. Denken Sie daran, Sinclair: Es ist immer zu spät, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.«
»Vorausgesetzt, es befindet sich Wasser darin«, erklärte ich.
Kölzer grinste nur schief und verschwand.
»Den hast du aber geärgert«, sagte Will.
»Wenn er sich ärgern läßt.« Ich schlug auf den Tisch. »So, Freunde, will noch jemand etwas essen?«
Will schüttelte den Kopf, während Suko über sein Haar strich. »Ich müßte mal zum Friseur«, sagte er.
»Da wollte ich auch hin«, erwiderte ich nickend und stand ebenfalls auf.
Will Mallmann tat es mir nach.
Mit gemischten Gefühlen verließen wir den großen Frühstücksraum des Hotels.
***
Gigi Gruber hatte seinen Salon in der City. Zwischen den beiden breiten Schaufenstern befand sich eine Tür aus Rauchglas. Wenn man hindurchschaute, sah man von den Kunden nur die Umrisse.
Als Suko die Tür aufdrückte und wir ihm folgten, da drehten sich zwei Mädchen zu uns um und bekamen große Augen. Drei Männer auf einmal, das hatten sie wohl nicht erwartet.
Wir waren in einem Vorraum gelandet und merkten bereits am Geruch, wo wir uns befanden. Was uns da entgegenwehte, das war eine Mischung aus Parfüm, Haarspray, Duftwässerchen, Haarwasser und einer trockenen Fönluft. Lange konnte man hier nicht atmen, das stand fest.
Die Mädchen trugen orangefarbene Einheitskleidung, hatten ein geschäftsmäßiges Lächeln aufgesetzt, und das größte von ihnen, eine Blondine, swingte auf uns zu.
»Womit kann ich Ihnen dienen?«
Ich schaute auf das Namensschild an ihrer »Uniform«.
»Wir hätten gern mit Gigi Gruber gesprochen, Fräulein Karin.«
»Dann sind Sie keine Kunden?«
»Nein.«
»Ich weiß nicht, ob…«
Will Mallmann, der die Zeit über ein grimmiges Gesicht gezogen hatte, war es leid. Er holte seinen Ausweis hervor und präsentierte ihn der staunenden Blondine. »Können Sie lesen?«
»Po…Polizei?«
»Sehr richtig, Fräulein Karin.«
Man hatte diesen Mädchen beigebracht, in allen Dingen souverän zu sein. Das gelang der Kleinen vor uns nicht. Sie war plötzlich durcheinander und hob verlegen die
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