0262 - Leonardos Knochenhorde
verlasse ich mich nicht, Zamorra! Oh, ich hätte es wissen müssen, nicht wahr? Der Wolf und du, ihr gehört zusammen! Verdammt, warum konnte ich ihn nicht durchschauen? Warum war seine Gedankenwelt die eines Tieres?«
»Vielleicht hast du längst deinen Meister gefunden«, sagte Zamorra rauh. »Es gibt Leute, die können noch ein wenig mehr als du Ausgeburt der Hölle.«
Leonardo lachte spöttisch.
»Du jedenfalls, Zamorra, gehörst nicht dazu«, sagte er. »Du hast ausgespielt. Ich werde dich töten, aber vorher sollst du noch ein wenig davon haben.« Er gab den Kriegern einen herrischen Wink. »Peitscht ihn aus! Zwanzig Hiebe!«
Zamorra wurde blaß, als er die Peitsche sah, die Leonardo hob. Sie war siebenschwänzig, und an jedem Schnürende befanden sich eiserne Dornen.
Da wußte er, daß er die zwanzig Hiebe nicht überleben würde.
***
»Potzblitz, Monsieur! Was tun Sie in meiner Zelle?« vernahm Gryf eine erstaunte Stimme. Er öffnete die Augen. Er fühlte sich müde und ausgelaugt. Es war die Aura der Schwarzen Magie. Sie brannte ihn aus. Kostete ihn sehr viel Kraft bei jedem seiner zeitlosen Sprünge. Er konnte nicht mehr unbegrenzt hin und her springen, mußte seine Kräfte sorgfältig einteilen. Das bedeutete, daß er niemanden mit sich nehmen und selbst seine Fähigkeiten auch nur im äußersten Notfall einsetzen durfte.
Die Schleier vor seinen Augen wichen. Er sah einen alten, weißhaarigen Mann in etwas ramponierter, aber ehemals teurer Kleidung.
»Raffael!« stieß er hervor. »Raffael Bois!«
»Monsieur Gryf!« sagte der Alte Diener. »Sind Sie nun auch in die Gewalt dieses Unholdes geraten?«
Gryf schüttelte den Kopf. »Nicht direkt«, sagte er und zwang sich zu seinem typischen jungenhaften Grinsen. »Wenn man es genau nimmt, bin ich auf der Flucht.«
Raffaels Augen weiteten sich ein wenig. »Sie haben ja Zamorras Schwert! Heißt das… heißt das, daß auch Zamorra in der Nähe ist?«
»Es ist zu befürchten«, sagte Gryf. Er sah sich in der kargen Zelle um, in der nichts mehr daran erinnerte, daß sie einmal ein Gästezimmer gewesen war. »Wo sind wir hier? Kellerräume? Ich bin ein wenig blind gesprungen.«
Raffael erklärte es ihm.
Gryf wog das Schwert in seiner Hand. Dann näherte er sich der Tür. Die war nicht mehr das schöne, glatte Holz von früher, sondern bestand aus massiven Eichenbohlen. So brauchte Gryf sich keine Gewissensbisse zu machen, wenn er diese Tür zerstörte.
Er hätte springen können. Aber dann hätte er erstens den alten Diener hier zurücklassen müssen, und zweitens hätte er seine Kräfte vorzeitig vergeudet. Es mußte eben anders gehen.
Er schwang Gwaiyur und ließ das Schwert gegen die Eichenbohlen sausen. Ein seltsamer Laut ertönte, als das Zauberschwert glatt hindurchging und steckenblieb. Gryf riß daran und zog es wieder zurück.
»Glatt durchschlagen«, murmelte er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Na, vielleicht brauche ich ja bloß den Riegel auf der Außenseite gut zu treffen…«
Er nahm wieder Maß.
Da scharrte draußen der Riegel, flog zurück, und im nächsten Moment wurde die Tür nach innen aufgestoßen. Draußen standen Wächter, und denen war sehr wohl aufgefallen, daß da plötzlich eine Schwertspitze aus der Tür auftauchte und wieder verschwand.
Zwei Skelett-Krieger mit gezogenen Schwertern stürmten herein.
Gryf sprang zurück und ließ Gwaiyur wirbeln. Das Schwert köpfte den vordersten Krieger, und im Rückhandschlag fraß es sich dann durch Schwert, Rüstung und Knochen des zweiten, ehe dieser Gryf attackieren konnte. Die beiden Untoten brachen polternd und scheppernd zusammen.
Gryf grinste. »Bedienen Sie sich, Raffael«, forderte er den alten Mann auf. »Und dann können Sie mir einen Schleichpfad zu Leonardo zeigen. Sie kennen sich doch besser in diesem Fuchsbau aus als ich!«
Raffael griff nach einem der beiden Schwerter und umschloß den Knauf mit festem Griff. »Wenn es Leonardo an den Kragen geht«, sagte er entschlossen, »bin ich zu allen Schandtaten bereit!« Und in den Augen des Mannes, der schon mehrfach eine Pensionierung zurückgewiesen hatte, brannte plötzlich wieder das Feuer der Jugend.
Die beiden Männer stürmten auf den Korridor hinaus. Raffael wandte sich nach rechts. »Mir nach«, forderte er.
Gryf folgte ihm.
Besser konnte es gar nicht mehr kommen…
***
Nicole öffnete die Augen. Ich lebe noch, dachte sie. Ich habe es überstanden!
Sie sah an sich herunter. Ihre Kleidung war stellenweise
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