0262 - Non-Stop in die Ewigkeit
sich wieder.
Ich stand auf.
Irgendwo sagte eine Stimme: »Erledigen wir es, Jungs! Der Boss wartet!«
Langsam setzte sich die Mauer aus Menschenleibern in Bewegung, immer noch zögernd. Dann war der Erste nahe genug an mich herangekommen und streckte seine Hände nach mir aus.
Selbstverständlich war es sinnlos, sich zu wehren, aber ich gehöre nicht zu der Sorte Leute, die sich sang- und klanglos ergeben. Ich holte aus und knallte dem Burschen eins in seinen Stoppelbart, dass er in die Menge seiner Kumpane fiel und darin unterging.
Jetzt kam Leben in die Bude. Der ganze Verein nahm sich meiner an. Ich tat, was ich konnte, um ihnen das Geschäft sauer zu machen.
Auch die schönste Wut nützt nichts gegen zwanzig Leute. Ich verlor die Partie, als es den Tramps gelang, mich von der Wand abzudrängen. Sie bekamen mich von hinten zu fassen. Ein Arm in einer zerrissenen, stinkenden Jacke legte sich um meinen Hals. Noch einmal konnte ich herumfahren, konnte den Arm abschütteln und seinen Besitzer mit einem wütenden krachenden Haken in das Land der Träume schicken. Aber schon war der nächste Arm um mich geschlungen, schon griffen harte Finger in mein Gesicht, drückten mir den Kopf nach hinten. Meine Fäuste wurden gepackt, nach unten gerissen, meine Arme verdreht. Ein Schlag beendete die Auseinandersetzung; ein Schlag, den ich nicht eigentlich fühlte, sondern wie eine krachende rote Explosion in meinem Gehirn wahrnahm. Danach wusste ich von nichts mehr.
Später erinnerte ich mich, dass das Erste, was ich wieder fühlte, der harmlose Schmerz eines Nadelstiches gewesen war, aber selbst danach muss meine Bewusstlosigkeit noch eine Stunde oder länger gedauert haben.
Als ich endlich die Augen auf schlug, blickte ich in eine Neonröhre, die an einer kahlen getünchten Decke hing und bläuliches Licht verstrahlte. Überrascht stellte ich fest, dass ich mich relativ wohlfühlte. Ich habe mehr als einmal eins über den Schädel bekommen, und jedes Mal, wenn ich den Schlag verdaut hatte, hatte ich das Gefühl, ein Schwarm wütender Wespen sause in meinem Gehirn herum. Dieses Mal fühlte ich nichts außer ein wenig Benommenheit.
Ich sah an mir hinunter. Ich trug noch meine Trampklamotten, war aber ohne Jacke und ohne Schuhe.
Der Raum, in dem ich mich befand, war ein Keller, ähnlich jenem Keller in der Selbridge Street, nur gab es nicht die geringste Einrichtung darin. Ich lag auf dem kahlen Fußboden, und ich stellte zu meinem Staunen fest, dass ich ungefesselt war.
Ich wandte den Kopf nach links. Ein seltsamer Vorhang teilte den Keller in zwei Hälften. Er erinnerte an diese Vorhänge, die man vor mexikanischen Läden und Bars anstelle einer Tür findet, Vorhänge aus einzelnen Bast- oder Glasperlenschnüren, nur schienen die Schnüre dieses Vorhangs aus Metallfäden zu bestehen. Sie hingen auch weiter auseinander, etwa mit einer Handbreite Zwischenraum.
Der Teil des Kellers hinter jenem Vorhang war nicht erleuchtet. Der Henker mochte wissen, wo ich mich bef and. Vorsichtig richtete ich mich auf und stellte mich auf die Füße. Etwas wacklig in den Knien war ich, und mein Gesicht brannte an einigen Stellen, an denen mir die Fäuste und Fingernägel der Tramps die Haut abgeschabt haben mochten, aber sonst ging es mir überraschend gut.
Ich tat zwei Schritte auf den Vorhang zu. Bevor ich ihn erreichte, flammte auch in dem dunklen Teil des Kellers ein Neonlicht auf. Der Raum zwischen den einzelnen Schnüren war so groß, dass ich mühelos hindurchsehen konnte. Unwillkürlich prallte ich zurück.
Beleuchtet von dem kalten Neonlicht lag auf einer Bahre ein Mann, dessen blutleeres Gesicht auf eine unnatürliche Weise verdreht mir zugewandt war. Ausdruckslose erloschene Augen starrten mich an, und ich sah die grässliche Wunde am Hals.
Der Mann war Slim Meadock, Spitzel, Zuträger, aber jetzt war er nichts mehr von alldem. Jetzt war er tot. Der Messermörder hatte ihn erwischt.
***
Hinter der Bahre öffnete sich eine Tür. Eine schwere, große Gestalt schob sich in den Raum. Der Mann hielt den Kopf so gesenkt, dass ich nichts von seinem Gesicht sah, sondern nur das kurze, bürstenartig geschorene Haar. Seine Fäuste packten die Holme der Bahre. Ohne seine gebückte Haltung zu verändern, zog er das Gestell mit Slim Meadocks leblosem Körper hinaus in die Dunkelheit jenseits der Tür.
Die Tür blieb offen. Eine knappe Minute verging, ohne dass etwas geschah. Dann tauchte ein anderer Mann auf.
Er trug einen weißen
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