0266 - Der Hunderttausend-Dollar-Koffer
Sache zu sehr.« Ich suchte die Notiz über die Verhandlung vor dem Untersuchungsrichter heraus, die mir als Bearbeiter des Überfalles auf die. Almond-Bank zugestellt worden war.
»Dein Anwalt hat einen Haftprüfungstermin vor dem Untersuchungsgericht beantragt. Er hat .die Stellung einer Kaution angeboten. Okay, du hast deinen Termin bekommen, und du und Anwalt Vermont seid vor das 5. Untersuchungsgericht gebracht worden. Der Richter scheint nicht einmal dagegen gewesen zu sein, dich bis zur Verhandlung auf freien Fuß zu setzen. Er hat es dir angerechnet, dass du dich freiwillig gestellt und dass du die Arbeit des FBI durch deine Aussagen unterstützt hast. Selbstverständlich hat er eine Kaution verlangt, und zwar zehntausend Dollar.«
»Ebenso hätte er gleich ablehnen können«, knurrte Rush. »Wo soll ich zehntausend Dollar auftreiben?«
»›Lord‹, du hast dich an einem Banküberfall beteiligt. Das ist ein schweres Verbrechen. Dein Anwalt musste wissen, dass der Richter eine hohe Kaution verlangen würde, wenn er überhaupt bereit war, dir die Zellentür aufzuschließen.«
Er winkte wütend ab. »Okay, es hat eben nicht geklappt.« Er wechselte das Thema. »Lil Wayt ist tot, G-man?«
Untersuchungsgefangene dürfen sich eine Zeitung kommen lassen. Es war daher nicht weiter erstaunlich, dass Rush von dem Mord an Tracys Freundin wusste.
»Ja, es stand in der Zeitung.«
»Hat es einen Zusammenhang mit Tracy?«
»Allerdings. Sie war Tracys Freundin, und sie hat ihn unterstützt, als wir ihn jagten.«
Der Lord schluckte, bevor er fragte: »Habt ihr jetzt die hunderttausend Dollar?«
Ich sah ihn aufmerksam an.
»Nein, Rush, wir haben sie nicht. Sie sind im Besitz von Lil Wayts Mördern.«
Wieder versank er in Schweigen.
»Wolltest du nicht eine wichtige Aussage machen, Lord?«
»Das ist zu spät«, antwortete er zögernd. »Als ich las, dass Lil Wayt ermordet worden war, hielt ich es für richtig, Ihnen zu sagen, wo Sie Tracys Beute vielleicht hätten finden können.«
Ich starrte ihn entgeistert an.
»Hoppla, mein Junge - du hast Tracys Versteck gekannt?«
»Nein«, sagte er, »nicht richtig gekannt, aber mir war eingefallen, dass Tracy vor dem Bankraub einmal gesagt hatte: Wenn wir uns mal verkriechen müssen, dann weiß ich einen Platz, an dem uns so schnell kein Bulle findet. Und selbst wenn sie uns finden sollten, haben wir eine prima Rückzugsmöglichkeit über die Dächer. Einer von uns - ich glaube, es war Tim Higgin - fragte, was für ein Versteck das wäre. Mir fiel ein, dass Tracy geantwortet hatte: ›’ne alte Hausruine in der kein Mensch mehr wohnt.‹«
Er hielt den Blick gesenkt und starrte auf die Tischplatte. Leise fuhr er fort: »Ich habe nicht mehr daran gedacht. Es wäre auch zwecklos gewesen, danach zu suchen. Solche verlassene Häuser gibt es in New York zu Hunderten über die ganze Stadt verstreut. Erst als Sie den Namen Lil Wayts erwähnten, G-man, fiel mit Tracys Bemerkung wieder ein, und ich dache, jetzt sollte man vielleicht in der näheren Umgebung der Wohnung dieser Frau nach der Ruine suchen.«
»Lord«, sagte ich langsam, »du bist ein dreifach ausgekochter Junge. Du hast den Mund gehalten in der Hoffnung, der Richter würde dich freilassen und du könntest dir den Hunderttausend-Dollar-Koffer selbst abholen? Stimmt es?«
»Hören Sie, G-man. Sie können es mir nicht übel nehmen, dass mir solche Gedanken durch den Kopf gegangen sind. Aber glauben Sie mir, ich habe nur damit gespielt. Sie sehen es ja… ich bin zu Ihnen gekommen.«
Ich lachte. »Immerhin hast du mich vorher gefragt, ob der Koffer noch an seinem Platz steht. - Sonst noch etwas, Rush?«
»Nein«, antwortete er. »Ich hielt es für wichtig genug, um Sie zu informieren.«
Der »Lord« stand auf.
»Tut mir leid, Sie unnötig gestört zu haben, G-man.«
Ich ging um den Schreibtisch herum und griff nach den Handschellen.
»Okay«, sagte ich. »Ich lege dir den Schmuck wieder an und bringe dich zurück.«
Ich glaube, solange ich beim FBI bin, habe ich nie weniger mit einem Angriff gerechnet als in diesem Augenblick. Schließlich liegt mein Büro mitten im Hauptquartiergebäude des FBI. Es war widersinnig, aber »Lord« Ralph Rush tat es trotzdem. Anstatt mir die Hände hinzuhalten, damit ich ihm die Schellen anlegen konnte, wie es der Vorschrift entsprach, schmetterte er mir beide Fäuste von unten nach oben ins Gesicht. Der »Lord« hatte hart und genau zugeschlagen. Ich torkelte rückwärts,
Weitere Kostenlose Bücher