0269 - Killer-Bienen
Nägel brachen ab, es machte ihr nichts aus. Verdreckt und völlig durchnässt zog sie sich hoch, stützte sich mit dem rechten Knie am Grabrand auf und streckte ihren Arm aus.
Sie konnte die Lampe soeben erreichen. Sie lag am Boden, brannte noch. Linda zog sie zu sich heran und ließ sich wieder in das Grab hineinrutschen.
Dabei trat sie auf eine Holzlatte vom Sargdeckel. Das Stück kantete so, daß es durch den Stoff ihrer Hose drang und im Fleisch eine kleine Wunde hinterließ.
Linda achtete nicht darauf. Der offene Sarg war wichtiger. Sie dachte an ihren Mann, während sie sich umdrehte. Würde sie ihn sehen? Und was war mit ihm geschehen?
Linda drehte den rechten Arm so, daß sie in den Sarg hineinleuchten konnte.
Der gelbe Lichtarm zitterte, als er sich vortastete und einen Atemzug später traf, was innerhalb des Sargs zu sehen war.
Lindas Gesicht verzerrte sich in panischem Schrecken. Es wurde zu einer Fratze der Angst, und zum erstenmal drang ein Schrei über ihre zitternden Lippen.
Im Sarg lag etwas, für das es nur eine Bezeichnung gab.
Entsetzlich!
Bienen waren dort zu erkennen!
Hunderte, vielleicht sogar Tausende. Sie hockten und klebten übereinander, waren von einer seltsamen Unruhe befallen, stiegen manchmal kurz auf, um sofort wieder innerhalb des Pulks zu landen.
Es war schaurig.
Sie schluckte ein paar Mal und ließ den Lampenstrahl weiterwandern.
Den größten Teil des Körpers hatte sie inzwischen gesehen, jetzt tastete sich der helle Lichtstrahl über die Brust und näherte sich bereits dem Kopf.
Davor hatte Linda Angst!
Wie würde der Kopf aussehen? Bestand er ebenfalls aus einem Gewimmel von Bienen?
Sie erfuhr es eine Sekunde später.
Bleich und blaß war die Haut. Keine einzige Biene hockte auf dem Gesicht, aber es zeigte zahlreiche Einstichstellen, die wie kleine Hügel aufgequollen waren.
Seltsam starr lagen die Augen in den Höhlen. Sie wirkten wie verdrehte Kreise, wobei sie zu einer geleeartigen Masse erstarrt zu sein schienen.
Ja, das war Sam Whiteside!
Ein Toter und ein Monstrum!
War er tatsächlich nicht mehr am Leben? Linda rechnete mit dem Schlimmsten, und ihre Befürchtungen bewahrheiteten sich, denn innerhalb des Gesichts zuckte etwas.
Da spielten Muskeln unter der Haut, sogar die Mundwinkel bewegten sich, und mit einem Ruck fuhr der Kopf in die Höhe.
Die Leiche lebte.
Starr vor Grauen blieb die Frau stehen. Es war für sie nicht mehr zu fassen, unbegreiflich. Damals mußten sie einen lebendigen Menschen begraben haben, der dennoch prallgefüllt mit Schwarzer Magie gewesen war, wobei er nur auf das auslösende Moment gewartet hatte.
Dies war nun eingetreten!
Der Tote richtete sich auf. Und die Bienen blieben an seinem Körper. Sie zeichneten die Konturen genau nach, zitterten, schwirrten, bewegten ihre Flügel. Es war ein Gekrabbel und Gewimmel, das sich da auf der Haut abspielte.
Bisher hatte der Unheimliche tief in der Erde gelegen. Das war nun vorbei. Und Linda hatte dafür gesorgt, daß er geweckt worden war. Sie gab sich die Schuld und wäre am liebsten geflohen, doch sie kam einfach nicht weg und blieb stehen, als wäre sie mit der Rückwand des Grabes verwachsen.
Unter den Füßen der lebenden Leiche zerbrachen die Reste der Totenkiste. Diese Geräusche waren die einzigen, die durch die Stille drangen.
Mit fast komisch wirkenden Bewegungen näherte sich das Monstrum dem Grabrand. Seine Arme hielt es ausgestreckt, das Gesicht befand sich jetzt wieder im Schatten, und Linda glaubte, daß die Masse innerhalb der Augenhöhlen grünlich fluoreszierte und sich bei jedem Schritt bewegte wie erstarrter Pudding.
Gerade diese Dinge waren es, die sie so fertig machten. Hätte sie die Grabwand am Rücken nicht gestützt, wäre sie schon längst zusammengebrochen. So aber hielt sie sich auf den Beinen und sah mit an, daß ihr »Mann« keinerlei Notiz von ihr nahm und sich daranmachte, aus dem Grab zu klettern. Obwohl auf seinen Fingern ebenfalls zahlreiche Bienen hockten, gelang es ihm, diese um den Grabrand zu klammern und sich in die Höhe zu ziehen. Bei dieser Bewegung verrutschten einige zusammenklebende Bienen. So daß es Linda für einen winzigen Moment gelang, die Fingerspitzen der lebenden Leiche zu sehen.
Sie erschrak.
Die Finger waren nicht mehr normal. Weiß und bleich leuchteten die Spitzen, als wären es skelettierte Klauen, die sich da in der feuchten Erde festklammerten.
Linda konnte die einzelnen Vorgänge nicht begreifen. Für sie war es
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