027 - Im Tempel der schwarzen Chimäre
»Beeil dich ein bißchen. Hörst du nicht, wie die Chimäre brüllt?«
Groomgh erreichte als erster den Tempel. Er wandte sich um, und sein Schattengesicht verzog sich zu einem grausamen Grinsen.
»Du wirst dabei zusehen, wie die schwarze Chimäre deine Schwester zerfetzt! Der Schmerz wird dein Herz auseinanderreißen, und erst dann, wenn du an Leib und Seele gebrochen bist, wird die Chimäre auch dich verschlingen.«
Grüne, dicke Säulen stützten ein flaches Dach. Groomgh ging voran in den Tempel. Wieder brüllte das Ungeheuer, daß die Wände erzitterten. Wände waren es, die mit grellen Farben bemalt waren. So viel Farbe hatte Mexalock noch nie gesehen. Es war irgendwie berauschend.
Piri und ihr Bruder wurden zum Zwinger geführt.
Mexalock starrte entsetzt in die düstere Todesgrube. Er glaubte, dort unten bleichgrüne Knochen schimmern zu sehen. Die Knochen all der unglücklichen Opfer, die die schwarze Chimäre schon gefressen hatte.
Nur undeutlich erkannte Mexalock das große Ungeheuer.
Grauenvoll sah dieser schwarze Pfropfbastard aus. Schädel und Vorderteil des Körpers waren von einem Löwen, der Hinterteil gehörte zu einer Hyäne, und aus dem Nacken wuchs ein hechelnder Wolfskopf. Das war die Chimäre, die Thoran hier geschaffen hatte.
Sie sah anders aus als andere Chimären. Dies war ein Ungeheuer, das der Magier-Dämon Thoran kreiert hatte.
Schwach und hilflos fühlte sich Mexalock.
Konnte er Piri wirklich nicht mehr retten?
Als man das Darganmädchen an die Todesgrube heranführte, sprang die Chimäre hoch und kratzte mit ihren langen Krallen an der Wand, daß grüne Funken sprühten. Wie verrückt gebärdete sich das grauenerregende Monster. Der Wolf heulte, der Löwe brüllte, und mit blau leuchtenden Augen starrte die stets hungrige Bestie zu Piri hinauf.
Das weinende Mädchen hatte mit seinem Leben abgeschlossen.
Alles Auflehnen gegen das unvermeidliche Schicksal hatte keinen Zweck mehr. Sie würde sterben, und sie hoffte, daß der erste Prankenhieb sie gleich töten würde.
Man stellte sie auf einen steinernen Sockel. Sie wankte. Vielleicht brauchte man sie nicht in die Todesgrube zu stoßen. Vielleicht fiel sie von selbst zur schwarzen Chimäre hinunter.
Ein bestialischer, fauliger Gestank stieg zu ihr hoch.
»Verzeih mir, Mexalock«, flüsterte sie. Ihr Bruder hörte es nicht, denn das Ungeheuer brüllte und tobte zu laut.
Groomgh trat hinter das Mädchen.
Da flog plötzlich im Hintergrund des Tempels krachend eine Tür auf.
Augenblicklich herrschte Stille im Tempel der schwarzen Chimäre. Sogar das Ungeheuer verhielt sich still. Ein Großer, Mächtiger mußte gekommen sein. Mexalock blickte zur offenen Tür, durch die in derselben Sekunde eine Gestalt schritt, die nicht von dieser Welt war.
Thoran – einer von den Grausamen 5!
Er trug einen schwarzen Brustpanzer und einen Flügelhelm, der ebenfalls schwarz war und die obere Hälfte seines Gesichts verdeckte. Ein langes, goldenes Schwert rasselte an seiner Seite, und an seinem rechten Handgelenk baumelte ein schwerer goldener Hammer. In der Linken trug er einen Stab mit Quersprossen, und auf diesen saßen fünf schwarze Satansfalken, gefährliche Greifvögel, mit denen Thoran und seine Kumpane alles jagten, was ihnen auf Coor in die Quere kam.
Clyppoor und alle anderen Mitglieder der Bande sanken auf die Knie. Nur Groomgh durfte stehenbleiben, er mußte aber tief seinen Kopf neigen.
Thoran verströmte Kälte im Tempel. Alle fürchteten ihn, sogar die schwarze Chimäre. Sie verkroch sich in der Todesgrube und regte sich nicht.
Thoran genoß dieses Gefühl, hier der mächtigste von allen zu sein, voll aus. Wenn Höllenfaust dabei war, konnte er sich diesem Machtrausch nicht so intensiv hingeben, denn Höllenfaust war aus gutem Grund der Anführer der Grausamen 5.
»Dein Besuch ist uns eine Freude und eine große Ehre, Herr«, sagte Groomgh nach einer Weile.
Thoran erlaubte den grünen Schattenwesen, sich zu erheben.
»Wir wollten der schwarzen Chimäre gerade wieder ein Blutopfer bringen, Herr«, sagte Groomgh.
»Laßt euch durch mich nicht stören«, sagte Thoran und trat an den Zwinger heran, um sich an dem blutigen Schauspiel, das gleich stattfinden würde, zu ergötzen.
Mexalock kämpfte verzweifelt gegen die Schmerzen in seiner Brust an. Er wußte, daß es nichts nützte. Dennoch versuchte er es.
»Gnade, Herr!« schrie er und sank auf die Knie.
Thoran starrte ihn feindselig an. »Du bist ein Einäugiger, ein
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