0272 - Um null Uhr schnappt die Falle zu
»Dieses Mal habe ich es'gut mit Ihrem Mann gemeint. Ich wollte ihn warnen.«
Ihr Gesicht veränderte sich, wurde aufmerksam und misstrauisch. Sie war keine sehr gute Schauspielerin.
»Warnen? Wovor?«
»Nun, ich kann meine Warnung auch bei Ihnen loswerden, Mrs. Marrow. Vor ein paar Stunden ist der Überfall auf einen Geldtransporter misslungen. Richten Sie Ihre Haushaltskasse danach ein. Es gibt vorläufig kein Geld.«
Sie schwieg. Sie konnte ihren Gesichtsausdruck nicht beherrschen. Ich sah ihr an, dass die Nachricht sie berührte. Sekunden vergingen, bevor sie sich zusammenriss und mich anschrie: »Was geht das mich an, mich oder Lex oder irgendeinem anderen? Sie haben kein Recht, uns mit jedem Verbrechen in New York in Verbindung zu bringen. Wollen Sie sagen, Lex hätte den Überfall ausgeführt.« Sie lachte schrill. »Sie überschätzen meinen Mann, Sie idiotischer Polizeikopf. Lex ist kein Held. Er würde sich hüten, sich mit einem bewaffneten Geldtransporter anzulegen.«
»Ich behaupte nicht, dass Marrow und seine Freunde den Überfall durchgeführt haben. Es waren die gleichen Leute, die die California Bank Filiale in der Eight Avenue überfielen.«
Sie bekam einen fast hysterischen Schrei-Anfall.
»Raus!«, kreischte sie. »Zum Henker, warum scheren Sie sich nicht endlich raus!? Ich brauche mich nicht von jedem hergelaufenen Polizisten beleidigen zu lassen.«
Ich ging. Der Besuch war anders verlaufen, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich hatte erwartet, Marrow selbst zu treffen, aber vielleicht ließ sich auch so noch etwas daraus machen.
Ich startete den Jaguar, fuhr rasch bis in die nächste Querstraße, parkte ihn am Straßenrand und lief zur W 43rd Street zurück.
Am dringendsten brauchte ich jetzt einen Wagen.
Ein Taxi passierte die 43rd Street. Ich sprang dem Wagen in den Weg und zwang den Fahrer zum Halten.
Das Taxi war nicht besetzt. Ich zeigte dem Fahrer meinen FBI-Ausweis.
»Ich brauche Ihre Mühle, mein Freund!«
Den Eingang, in dem die Marrows wohnten, ließ ich nicht aus den Augen. In diesem Augenblick kam Marrows Frau aus dem Haus. Sie trug einen schwarzen Pelzmantel und ging hastig die Straße hinunter.
Ich huschte in den Fond des Taxis.
»Folgen Sie der Frau, mein Freund!«
Der Fahrer, ein typischer New Yorker Taxichauffeur, drehte den Kopf.
»Hören Sie, G-man! Garantieren Sie mir dafür, dass nicht geschossen wird. Andernfalls übernehmen Sie lieber selbst das Steuer. In bestimmten Fällen gehe ich ganz gern zu Fuß.«
»Keine Gefahr, mein Freund! Wenn’s brenzlig wird, werfe ich Sie rechtzeitig hinaus!«
Ich hatte erwartet, dass Lil Marrow zur nächsten Sub-Station gehen würde, aber sie steuerte einen funkelnagelneuen Chevrolet an, der etwas weiter unterhalb stand. Sie schloss den Wagen auf, stieg ein und bugsierte ihn aus der Reihe der parkenden Fahrzeuge auf die Straße. Ich klopfte dem Taxifahrer auf die Schulter.
»Folgen Sie dem Chevrolet! Verlieren Sie ihn um Himmels willen nicht! Sie dürfen jede Kreuzung überfahren, wenn das notwendig sein sollte. Die Strafen zahlt das FBI, aber gehen Sie auch nicht zu nahe heran. Sie darf uns nicht bemerken.«
Das Taxi rollte schon. Mein Fahrer brummte Unfreundliches in seinen Bart, aber er fuhr, und er gab sich sogar redliche Mühe, meine Wünsche zu erfüllen. Offenbar war Morrows Frau keine sehr sichere Fahrerin. Sie fuhr hastig, aber unsicher, bremste häufig, zögerte vor Kreuzungen. Auf diese Weise war es nicht schwer, den Anschluss zu wahren.
***
Inzwischen war es völlig dunkel geworden, aber über New Yorks Straßen flammten die Bogenlaternen und die Neonreklamen. Das war Licht genug, um den Chevrolet nicht zu verlieren. Nur in zwei oder drei Fällen musste der Fahrer von meiner Erlaubnis Gebrauch machen und bei Rot über eine Kreuzung huschen, die Lil Marrow Sekunden früher passiert hatte. Einmal trillerte ein Verkehrscop wütend hinter uns her.
Die Beleuchtung der Straßen wurde spärlicher. Wir erreichten den Fabrikbezirk zwischen der Eight und Tenth Avenue.
Der Chevrolet bog in die 19th Street ein.
Ich legte dem Fahrer die Hand auf die Schulter.
»Langsam, mein Freund!«
In der 19. Straße stehen eine Menge großer und kleiner Fabriken, dazwischen große Mietskasernen. Tagsüber ist der Verkehr in der Straße ziemlich rege, aber abends, wenn die meisten Fabriken nicht arbeiten, stirbt er aus.
Als wir in die 19th einbogen, sah ich die Bremslichter des Chevrolets in knapp fünfzig Yards Entfernung
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