0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
fasziniert auf die Kreidelinien auf dem Fußboden, die der Körperstellung von Honda Queals Leichnam nachgezeichnet waren.
»Auf Halunken von deiner Güte haben wir hier gerade noch gewartet«, bellte ein Sergeant mit englischem Schnurrbart, als mich drei Cops in die Revierwache schleppten.
Ich blickte reichlich verdattert in die Gegend. Der Sergeant beugte sich ein wenig über das Pult und zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger vor dem Pult auf den Fußboden. Vermutlich hieß das: Hier kommst du her!
Na schön, ich tat ihm den Gefallen. Wie ein Rekrut stand ich vor seinem Pult und blickte in sein feistes rundes Vollmondgesicht, in dem sein dicker Bart auf der Oberlippe hing.
»Wenn du hier nicht mit der Wahrheit auspackst, drehen wir dich durch die Mühle«, sagte der Sergeant und gab sich alle Mühe, böse auszusehen. Die Mühe war vergeblich, denn jetzt wirkte er nur noch komischer.
»Ja, Sir«, nickte ich ergeben.
Das gefiel ihm. Er warf mir einen wohlwollenden Blick zu.
»Also«, sagte er und hielt die Spitze seines Federhalters gegen das Licht, »also wie war das nun? Pack schön aus, mein Junge, umso besser werden wir uns vertragen.«
»Ich lag auf dem Bett und schlief«, erzählte ich. »Plötzlich wurde ich wach. Ich weiß auch nicht wieso. Jedenfalls wurde icti wach und hatte das Gefühl, dass noch jemand in meinem Zimmer sei.«
»Sieh mal an«, sagte der Vollmond hinter dem erhöhten Pult, der gnädig auf mich herabstrahlte. »Gefühle hast du auch. Du bist ja eine Luxusausgabe.«
»Ja, Sir«, nickte ich ergeben.
»Na gut«, meinte er zufrieden über meine Duldsamkeit. »Erzähl weiter!«
»Ich ließ mich vom Bett fallen und blieb reglos liegen. Und nach einer Weile schoss er das erste Mal. Die Kugel fuhr in mein Bett. Wenn ich liegen geblieben wäre…«
»Dann hättest du jetzt ein Loch in deinem Luxuskörper, was?«
»Gut möglich.«
»So, so. Also er schoss. Nur merkwürdig, dass niemand im Haus einen Schuss gehört hat.«
»Er benutzte einen Schalldämpfer.«
»Ach nein? Woher weißt du denn das, du kluges Kind?«
Ich wollte ihm nicht sagen, dass meine Kenntnisse in diesen Dingen von der FBI-Akademie herrührten, obgleich ihm das sicher eine hübsche Überraschung gewesen wäre, und so sagte ich mit möglichst naivem Gesicht: »Sonst hätte es doch viel lauter krachen müssen!«
Er stutzte. Offenbar war er auf diesen Gedanken noch nicht gekommen.
»In der Tat«, meinte er, »das hätte es wohl. Du nimmst mich doch nicht auf den Arm? Dass die Mordkommission in deinem Zimmer ist, weißt du ja wohl, oder?«
»Natürlich! Ich habe sie ja selbst angerufen.«
Sein Vollmondgesicht verklärte sich: »Du hast selbst die Mordkommission angerufen? Woher hast du denn ihre Nummer gewusst?«
»Die steht im Telefonbuch. Eine Gruppe Mordkommissionen für den Bezirk Manhattan Ost und eine andere für den Bezirk Manhattan West. Steht im Telefonbuch. Hier ist West, also habe ich Mordkommission West gewählt.«
»Du bist wirklich eine Luxusausgabe«, sagte er. Anscheinend gefiel ihm das Wort Luxus. »Und du hast es faustdick hinter den Ohren, Freundchen. Neunzig von hundert Bürgern hätten einfach die Polizei angerufen.«
»Aber dann hätte die Polizei wieder die Mordkommission anrufen können«, wagte ich einzuwenden. »Das konnte ich doch gleich selbst besorgen.«
Er seufzte. Leute, die etwas besser wussten als er selbst, schien er nicht gerade zu lieben.
»Lassen wir das«, meinte er. »Also er schoss. Die Mordkommission wird ja sehen, ob sie wirklich eine Kugel in deinem Bett findet.«
»Sie wird noch mehr Kugeln finden«, grinste ich. »Er hat noch ein paar Mal geschossen. Zum Glück war es 40 so dunkel, dass er mich nicht sehen konnte. Und seine Kanone wird man auch finden.«
»Ja? Wo ist sie denn?«
»Die liegt irgendwo im Zimmer. Als ich mit ihm beschäftigt war, fiel sie auf den Boden, und ich gab ihr einen Tritt, damit er sie nicht mehr erreichen konnte, weil ich doch selbst keine Kanone hatte.«
»Trotzdem hast du ihn angegriffen?«
»Es blieb mir ja nichts anderes übrig, wenn ich mich nicht abknallen lassen wollte.«
»Natürlich, du Luxusheld. Du bist ein richtiger Held, nicht wahr?«
»Ganz im Gegenteil«, gab ich zu. »Ich habe eine Mordsangst gehabt, als der erste Schuss ins Bett zischte. Es ist verdammt nicht angenehm, beschossen zu werden und selbst keine Schusswaffe zu haben.«
»Nein, angenehm ist das wohl nicht«, nickte er mit einer Spur von Verständnis.
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