0273 - Nachts jagen ihn die Rauschgift-Haie
Direktor dabei die Schachtel mit der rechten Hand festhielt, während er das Streichholz mit der linken über die Reibfläche riss.
»Sind Sie Linkshänder, Mister Willies?«, fragte Alf interessiert.
Der Direktor sah auf.
»Ich musste es notgedrungen werden. Hier, sehen Sie!«
Er schob den Ärmel vom rechten Handgelenk zurück. Eine lange, breite Narbe zog sich vom Handgelenk bis fast zum Ellenbogen hin. Der ganze Unterarm schien nur noch aus Knochen und Haut zu bestehen, so dünn war er.
»Hatten Sie einen Unfall?«, fragte Alf in gleichmütigem Tonfall.
»Das ist eine Kriegsverletzung«, erklärte Willies. »Im Ersten Weltkrieg. Seither ist der Arm so schwach, dass ich nicht einmal einen Bleistift vernünftig damit halten kann. Ich musste es mir reichlich mühsam beibringen, nun alles mit Links zu tun. Am schlimmsten war es mit dem Schreiben.«
Alf nickte und klopfte bedächtig seine Pfeife aus.
»Ich würde mich gern einmal mit Ihnen unter vier Augen unterhalten«, sagte er dabei. »Können wir das in Ihrem Office erledigen?«
Willies blickte unsicher von einem zum anderen. Dann nickte er stumm.
»Also gehen wir!«, schlug Alf vor, wandte sich aber rasch noch an Nat mit den Worten: »Ist die Aussage des Jungen bestätigt?«
»Voll und ganz, Alf.«
»Auch hinsichtlich der Zeit?«
»Ja, auf die Minute genau.«
»Dann schickt den Jungen nach Hause. Es ist spät genug.«
Er wandte sich dem Direktor zu und ließ ihm an der Tür höflich den Vortritt. Als sie das Office von Mr. Willies erreicht hatten, fragte Alf überraschend: »Wie lange sind Sie schon in diesem College tätig, Mister Willies?«
»Einunddreißig Jahre, Mister Lundquist. Warum?«
»Ich frage mich nur, wie viel Ihnen die Schule wohl bedeutet?«
Willies zuckte die Achseln. Er schien ein bisschen verlegen.
»Oh«, murmelte er, »vielleicht finden Sie es übertrieben, aber ich kann von mir sagen, dass diese Schule mein Lebensinhalt ist. Wir haben einen Verein der Ehemaligen und ich bekomme noch heute Briefe praktisch aus allen Teilen der Welt von früheren Schülern. Wir sind - von Ausnahmen abgesehen -eine einzige große Familie. Natürlich 38 hat es auch nicht an Feindschaften gemangelt. Ich habe oft hart mit dem Verwaltungsrat kämpfen müssen, bis ich die Mittel für diese oder jene Neuerungen bewilligt bekam.«
Willies Augen blickten verträumt. Seine Stimme hatte einen fast zärtlichen Klang angenommen. Alf zog sich einen Stuhl heran und fing leise an zu sprechen. Willies erschrak, aber Alf ließ sich nicht unterbrechen. Eine gute halbe Stunde lang dauerte das Gespräch. Dann nickte Willies zustimmend, aber man sah ihm an, dass es ihm Mühe kostete.
»Warten Sie bitte hier«, sagte Alf.
Direktor Willies nickte stumm. Alf ging zurück in den Lesesaal. Mit verschlossener Miene sagte er den erstaunten Kollegen: »Bringt Willies ins Distriktgebäude. Ich habe ihn gerade verhaftet. Den Haftbefehl beschaffe ich selbst innerhalb der vorgeschriebenen vierundzwanzig Stunden. Und dann gebt der Presseabteilung Bescheid, dass sie seine Verhaftung an die Zeitungen und an die Nachrichten-Redaktionen der Rundfunkstationen herausgeben soll.«
Nat fuhr in die Höhe.
»Aber mit welcher Begründung hast du ihn denn verhaftet?«, rief er aufgebracht.
Alf Lundquist sah gedankenverloren auf den kurzen Stiel seiner Pfeife.
»Direktor Willies versuchte, hier im Lesesaal Honda Queal zu küssen. Sie ließ es sich nicht gefallen und drohte ihm anschließend. Willies bekam Angst vor dem unvermeidlichen Skandal, der ihn natürlich seine Stellung gekostet hätte, und da brachte er Honda Queal um.«
»Aber…«, wandte Nat ein, wurde aber von Alf scharf unterbrochen: »Ich leite diese Mordkommission, Nat, oder?«
Nat seufzte: »Ja, natürlich! Aber…«
»Er bekam Angst vor dem Skandal«, wiederholte Alf gedehnt und sehr betont, »und deshalb brachte er Honda Queal um. Gibt es da noch ein aber?«
Ein paar Sekunden lang kreuzten sich ihre Blicke. Dann senkte Nat den Kopf.
»Okay, Alf. Okay.«
Sie gingen hinaus, um Direktor Willies, den sie kreidebleich und in sich gekehrt in seinem Zimmer vorfanden, zum Distriktgebäude zu bringen. Nur Alf Lundquist blieb allein im Lesesaal zurück. Er stopfte sich wieder einmal seine Pfeife, entzündete den Tabak und rauchte geistesabwesend.
Der Uhrzeiger rückte allmählich auf die Mitternachtsstunde, aber Alf schien es nicht zu merken. Rauchwolken vor sich hinpaffend, saß er in einem Sessel und starrte wie
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