0276 - Die Phantome vom Gespenster-Kreuz
Bild hoch, das ein weibliches Frankenstein-Monstrum zeigte.
Man musste nur originell sein. Dieser Mann war es, und er bekam den meisten Zuspruch. Die Leute kauften seine Lose. Die Musik zog auch die noch zögernden Menschen aus Selb auf den Rummelplatz und die Festwiese. Vergessen konnte man das Grauen natürlich nicht. Aus diesem Grunde waren die Besucher auch nicht so lustig. Nur die Kinder kümmerten sich nicht darum. Sie hatten ihren Spaß, wenn sie losziehen konnten, um das Geld ihrer Eltern in Karussellfahrten anzulegen.
An einem achteckigen Bierstand hatten sich unter anderem drei Jugendliche getroffen. Zwei Jungen und ein Mädchen.
Sabine Grabowski hatte noch immer verweinte Augen. Sie starrte ins Leere, während sie mit der rechten Hand das Limoglas umfasst hielt.
Die beiden Jungen tranken Bier. Das war einmal der siebzehnjährige Michael Artner und zum anderen der ebenso alte Osi. Er wusste selbst kaum, wie er hieß, von seinen Freunden und Leuten im Dorf wurde er nur Osi genannt. Ein hochgewachsener, etwas schlaksig wirkender junger Mann, der es jedoch faustdick hinter den Ohren hatte und mit seiner Klugheit so manch älteren in den Sack steckte.
Osi war zudem Chef einer Schülerzeitung. Er schrieb gute Berichte und verstand es, sie so zu formulieren, dass niemand beleidigt war, falls er mal jemanden angriff.
Michael Artner war das Gegenteil. Während Osi blondes, halblanges Haar hatte, war die Haarpracht des Michael dunkel. Zudem kurz geschnitten, so dass es fast wie eine Bürste wirkte. Er war kräftig und konnte anständig zulangen, was er auf dem Hof seines Vaters auch musste, denn der alte Artner kannte kein Pardon, wenn es um die Arbeit ging. Er spannte seinen Junior hart ein. Nebenbei machte Michael noch eine Lehre als Schlosser, damit er anfallende Reparaturarbeiten selbst erledigen konnte.
Am Samstag gab ihm der Alte frei. Am Sonntag, da musste er mit in die Kirche, während Osis Mutter, sein Vater war gestorben, die Sache ein wenig lockerer sah.
Sabine Grabowski war eine »Zugezogene«. Aus Gelsenkirchen kam sie, und ihre Eltern hatten vor drei Jahren den Weg nach Selb gefunden. Das achtzehnjährige blonde Mädchen mit der gut gewachsenen Figur hatte sofort Anschluss bei den Jugendlichen gefunden, und Uwe Saalfrank hatte es ihr besonders angetan. Sie waren zwar nicht direkt miteinander gegangen, doch die anderen merkten sehr schnell, dass Sabine ihrem Uwe mehr Sympathie als den übrigen entgegenbrachte. Und sie hatte auch nicht eingegriffen, als von der Clique beschlossen wurde, Uwe die Mutprobe durchführen zu lassen. Im Gegenteil, Sabine war dafür gewesen, und nun machte sie sich die Vorwürfe.
Die beiden Jungen hatten sie eingerahmt. Sabine schaute auf die schmale Thekenplatte vor sich, während ihre Finger das Glas umklammerten und sie sich über die Kühle freute, die ihre Handflächen benetzte. Ihre Gedanken waren woanders.
»Nun hör doch auf!« sagte Osi. »Es ist nun mal geschehen, und wir können es nicht ändern.«
»Wir hätten es aber nicht dazu kommen lassen dürfen«, hielt sie ihm entgegen und drehte so heftig den Kopf, dass die lockigen Haare flogen.
Osi gab sich gelassen. In seinem schmalen Gesicht verzogen sich nur die Augenbrauen. »Was soll's? Uwe war einverstanden. Oder stimmt das nicht?«
»Schon. Nur diese dämliche Mutprobe…«
Michael Artner griff ein. »Was heißt hier dämlich? Auf einmal sprichst du so. Warst du nicht auch dafür?«
»Klar, aber…«
»Kein aber, Sabine. Daran gibt es nichts zu rütteln. Eine Mutprobe gehörte dazu, um in unseren Verein aufgenommen zu werden. Schließlich hast du sie sogar hinter dich gebracht.«
»Das war ja auch Quatsch. Zwei Stunden mit Mäusen im Keller zu sitzen. Das kann auch nur Hirnies einfallen.«
»Zum Glück können mich nur Menschen beleidigen«, erwiderte Artner und grinste breit. Er hob seine Schulter. Unter dem schwarzen T-Shirt-Stoff spannten sich seine Muskeln.
Er liebte die Farbe Schwarz. Auch die Hose war dunkel, während Sabine von ihm abstach in ihrer weißen Jeans und der locker fallenden gelben Bluse, die drei Knöpfe weit geöffnet war. Wenn sie sich vorbeugte, war zu erkennen, dass sie auf einen BH verzichtet hatte.
Die drei hatten sich nach der Beerdigung umgezogen. Sie waren auch zusammengeblieben, während die übrigen fünf Mitglieder der Clique erst gegen Abend eintreffen wollten. Aber die drei hatten einiges zu bereden und wollten unter sich sein.
»Noch ein Bier, die jungen
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