0277 - Der Tod hat viele Gesichter
Irgendwelches anderes Mobiliar war auch nicht vorhanden. Während er noch am Türschloss herumprobierte, wurde die Tür von Außen aufgeschlossen.
Tageslicht fiel herein.
»Na, endlich aufgewacht?«, grinste ihn ein breitschultriger Ganove an.
Der Dialekt stammt aus Frisco, stellte Neville in Gedanken fest.
Er beschloss, sich leutselig zu geben.
»Ich habe prächtig geschlafen, mein Sohn - du auch? Ich könnte mir denken, dass dir die Luft hier zu schwül ist, wenn du die frischen Lüfte Kaliforniens gewöhnt bist.«
Dem Gangster blieb der Mund offen stehen. »Woher weißt du das?«, fragte er misstrauisch.
Neville lachte. »Wenn man in Frisco geboren ist, erkennt man einen Landsmann an der Stimme«, log er munter drauflos. Dabei sah er sich unauffällig in der Küche um. Es herrschte ein sagenhaftes Durcheinander. Schmutziges Geschirr in enormen Mengen stand überall herum, einige riesige Kessel fielen fast vom Gasherd, der nicht für eine Volksküche gedacht war. Zufrieden stellte Neville fest, dass er an der richtigen Adresse angelangt war, wenn auch unfreiwillig.
In den Glotzaugen des Wächters glimmte fast so etwas wie Sympathie auf. Er langte zwischen die vielen Sachen, die auf einem Tablett durcheinanderlagen, und förderte zwei Sandwichs zutage. Nach einigem Suchen fand er auch Butter mit lauwarmen Kaffee.
»Da, iss erst einmal. Der Boss hat gesagt, wir sollen dich nicht umkommen lassen, er braucht dich noch! Haha! Möchte wissen, wozu wir noch einen Bullen brauchen - jetzt, wo alles klar ist.«
»Was ist alles klar?«, fragte Neville scheinbar uninteressiert. Dabei setzte er sich auf den Boden, weil kein anderer Platz da war, und begann zu frühstücken. Der Klotz fiel auf den plumpen Trick herein.
»Na, der Plan heute. Das Geld, das wir heute verdienen werden, ist mehr, als du in deinem ganzen Leben auf einem Haufen gesehen hast. Und der Boss sagt, der Plan sei hundertprozentig. Kann nichts mehr schiefgehen. Schade, dass du noch dazwischentappen musst - eigentlich gefällst du mir.«
»Hast du etwas Zucker für mich?«, fragte Neville trocken.
»Finde ich nicht, muss einmal ohne Zucker gehen, Alter. Aber die Zustände werden sich bald ändern, wenn wir erstmal die Damen bei uns haben.«
»Welche Damen?« Neville lief es eiskalt über den Rücken.
»Na, die netten kleinen Dinger, die der Boss…«
»Du schweigst jetzt!«, befahl eine schneidende Stimme hinter dem Rücken des Wächters. Neville blickte hoch, wobei die Beule auf seinem Kopf wieder neu zu stechen begann. Er blieb ruhig sitzen.
»Steh auf, wenn ich mit dir rede!«, befahl der Mann, ein eleganter Bursche.
Langsam erhob sich Neville.
»So gefällt es mir schon besser«, sagte der Elegante eisig. »Was hat dieser Dummkopf hier alles ausgeplaudert?«
»Eigentlich nichts«, erklärte der alte G-man langsam. »Wir haben uns über Mädchen im Allgemeinen unterhalten.«
Diese Lüge brachte ihm einen misstrauischen Blick des Eleganten und einen dankbaren des Wächters ein.
»Pass auf ihn auf!«, befahl der Elegante nach einem kurzen Zögern, drehte sich um und verschwand!
»Der hätte dich ganz schön durch die Mangel drehen lassen«, sagte Neville freundlich zu seinem Bewacher, als der andere verschwunden war. Der knurrte nur etwas und stellte sich an die Tür. Dabei beobachtete er seinen Gefangenen, als ob er ihn abschätzen wollte. Neville spielte den Friedlichen und aß mit Behagen das spärliche Frühstück.
Dann konnte der Gangster nicht mehr an sich halten. Wahrscheinlich war er stolz darauf, Mitwisser eines so enormen Geheimnisses zu sein und glaubte außerdem, den G-man sicher zu haben.
»Ich will dir was erzählen«, sagte er beinahe vertraulich. »Gleich kommen zwanzig hübsche Käfer, die alle bei der Bank angestellt sind. Auf dem Weg zur Arbeit werden sie von unseren Leuten geschnappt. Die armen Girls müssen auch am Sonntag noch arbeiten.« Er lachte. »Also wie gesagt, zwanzig Puppen, aus jeder Bank eine. Fein ausgedacht, nicht wahr? Und wenn heute Mittag etwas schiefgeht, sagen wir der Polente einfach, dass diese Girls kaltgemacht werden, wenn man uns nur ein einziges Härchen krümmt. Sollte dein Verein eingreifen, G-man, dann bist du an der Reihe. Ist doch ein perfekter Plan, oder nicht?«
Neville schüttelte langsam den Kopf. Erstaunt blickte ihn sein Bewacher an.
»Der Plan hat nur einen Fehler«, sagte Neville langsam.
»Welchen denn?«
»Du und ein paar andere, ihr müsst hier auf mich und die Mädchen
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