0277 - Im Penthouse der Angst
schräg von der Seite her an. »Zufall? Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Ich habe Ihnen doch schon mal erklärt, daß ich eine Frau schreien hörte. Dann passierte es eben bei der Verfolgung. Tut mir leid, Tanner, mehr kann ich nicht sagen.«
»Sinclair hat Sie gut angelernt«, sagte der Chiefinspektor und drückte seinen Hutrand zusammen. »Ihr beide haltet zusammen wie Pech und Schwefel. Ich glaube nicht, daß er so einfach in den Gully gefallen ist. Da steckt etwas dahinter.«
»Wenn es Sie berührt, sage ich Ihnen früh genug Bescheid«, erklärte Suko.
»Hoffentlich.«
»Ich kümmere mich dann auch um eine Zeugenbefragung«, sagte der Chinese und lächelte.
»Gehen Sie!« erwiderte Tanner. »Aber kommen Sie mir nicht an, wenn Sie Hilfe brauchen.«
Suko kniff ein. Auge zu. »Nur im Notfall.« Dann verschwand er und ließ die Männer der Mordkommission zurück.
***
Ein gewisser Craig Midland hatte ihn angerufen und alarmiert. Er mußte so eine Art Hausmeister in diesem alten Block sein, und von den Vorfällen auf dem Hinterhof hatte er sicherlich noch nichts mitbekommen, sonst wäre er längst dort erschienen.
Vorn an der Straße sah es nicht so schlimm aus wie an der Rückseite. Das Gebäude hatte zehn Stockwerke, und auf dem Dach befand sich noch ein Penthouse.
Einige Fenster waren beleuchtet. Sie glotzten auf Suko nieder wie große, gelbe, viereckige Augen, als der Chinese seinen Blick an der Wand hochgleiten ließ. Der Bau mußte schon ziemlich alt sein. Er bestand aus Backsteinen. So baute man heute nicht mehr. Über dem Eingang brannte eine Laterne. Ihr Licht war ebenso trübe wie die Fassade, die zusätzlich noch beschmiert worden war.
Suko las zahlreiche Parolen und Sprüche. Da hatten sich Narrenhände so richtig ausgelassen.
War dieses Haus ein Unterschlupf für diesen Terror-Zirkel gewesen? Und jetzt vielleicht zu einer magischen Falle geworden?
Möglicherweise würde ihm Craig Midland eine konkrete Auskunft darüber geben.
Suko mußte eine breite graue Stufe bis zur Tür hochgehen und konnte den Eingang aufdrücken.
Die Tür war nicht versperrt. Sie bestand auch nicht aus Glas, wie man es bei modernen Bauten sieht, sondern hatte eine nachträglich angebrachte Metallverkleidung.
Im Flur stand die Hitze. Von den vier Deckenleuchten war eine defekt. Geradeaus ging es zu den beiden Fahrstühlen. Die Türen befanden sich auf der rechten Seite eines schmalen Gangs. Links sah Suko eine breite Tür. Er konnte sogar den Namen auf dem Schild an der Wand lesen.
Midland!
Da war er genau richtig. Eine Klingel war ebenfalls vorhanden, und Suko wollte soeben den Knopf nach unten drücken, als er hinter sich das Geräusch eines ankommenden Fahrstuhls hörte.
Der Chinese drehte den Kopf.
Heftig schwang die Fahrstuhltür zurück. Aus der Kabine stürmte eine Frau mit rötlichen Haaren. Sie war völlig aufgelöst. Das Gesicht verzerrt, über die Wangen rannen Tränen, und sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Als sie Suko entdeckte, öffnete sie den Mund. »Ein… ein Toter!« keuchte sie. »In meiner Wohnung liegt ein Toter… ich …«
Mehr schaffte sie nicht mehr, denn sie stolperte über ihre eigenen Beine und fiel genau in Sukos Arme…
***
Deutschland, das kleine Örtchen Selb, und drei Tage Urlaub lagen hinter mir. Jetzt hatte mich die Heimat, wieder. Inzwischen wurde ich in London erwartet. Es lag zwar nichts Dringendes an, doch Suko wollte sich um einen Fall kümmern, in den ich unter Umständen auch mit einsteigen konnte.
Es brannte aber nichts an, deshalb hatte ich mir Zeit lassen können. Mit einer sommerlichen Bräune versehen, stieg ich in London aus dem Flugzeug und geriet direkt in die Schwüle.
Das war widerlich, und sie wurde in der Innenstadt noch viel schlimmer. Der Taxifahrer schimpfte ohne Unterlass, während er mich durch den abendlichen Verkehr kutschierte. Alles, was er wollte, war ein reinigendes Gewitter, und ich schloß mich seiner Meinung an, denn mittlerweile klebten auch mir die Kleidungsstücke am Körper.
Scotland Yard wollte ich erst am anderen Tag wieder sehen. Zunächst einmal war mir meine Wohnung wichtiger. Sie hatte ich auch als Adresse angegeben.
Da der Fahrer schimpfte und dabei meist mit sich selbst sprach, die Trennscheibe hatte er wegen der schlechten Luft nicht geschlossen, entspannte ich mich im Fond und streckte meine langen Beine aus, so gut es eben möglich war. Es war eigentlich genau die Nacht, die man nicht im Bett verbringen
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