0277 - Im Penthouse der Angst
sollte. Oder wenigstens einen Großteil davon nicht. Jetzt konnte man draußen vor den Lokalen sitzen und sein kühles Bierchen schlürfen. Ich spielte mit dem Gedanken, dies noch in die Tat umzusetzen, denn nach den drei Tagen Kurzurlaub spürte ich keine Müdigkeit. Ich war fit wie selten.
Will Mallmann und ich hatten herrliche Tage verbracht und nichts getan, außer zu faulenzen.
Daran konnte man sich gewöhnen.
Ich zahlte den Preis, nahm meinen Koffer und verabschiedete mich von dem schimpfenden Fahrer mit einem Winken. Er sah die Geste überhaupt nicht, drehte sein Vehikel und dampfte ab.
Natürlich wollte ich bei Suko und Shao noch guten Abend sagen.
Die beiden hatten sicherlich auf mich gewartet. Erwartungsvoll klingelte ich und bekam große Augen, als Shao die Tür öffnete.
»Was starrst du denn so?« fragte sie mich zur Begrüßung.
Ich wischte über meine Augen. »Bist du es wirklich?«
»Ja, wieso? Habe ich mich verändert? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, nicht wahr?«
»Das schon, aber…« Ich lächelte. »Deine Kleidung oder dein Aufzug.«
»Gefällt er dir nicht?«
»Schon. Nur wundere ich mich darüber.«
»Wieso denn?«
»Na ja, rote Boxer-Hosen, der Fetzen Stoff darüber, was sagt denn Suko dazu?«
»Gar nichts.«
Ich grinste. »Dann hat es ihm auch die Sprache verschlagen.«
»Nein, er ist nicht da.«
»So was wie dich läßt er allein?« Ich schüttelte den Kopf. »Unbegreiflich, wirklich.«
»Und du wirst mir auch keine Gesellschaft leisten können«, erklärte Shao mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. »Suko erwartet dich nämlich bei folgender Adresse…«
Ich hörte genau zu und hatte bereits ein unangenehmes Gefühl.
Was Shao da alles hinzufügte, klang mir verdammt nach Arbeit, die man mir aufhalsen würde.
»Soll ich wirklich?«
»Du brauchst nicht, John. Suko meinte nur, daß es besser wäre. Wenn du zu schwach bist und dich von der langen Reise erst noch erholen mußt, dann laß es sein…«
Ein raffiniertes Luder, diese Shao. Sie wußte genau, wie man mich packen konnte. »Keine Sorge, Mädchen, ich fahre hin. Hat mir dein lieber Partner auch den Bentley gelassen?«
»Natürlich. Er ist mit der Maschine gefahren.«
»Dann bin ich ja beruhigt«, erwiderte ich und wünschte Shao noch eine gute Nacht.
»Ach, John«, sagte sie, als ich mich bereits abgewandt hatte. »Da wäre noch etwas.«
»Und?«
»Nimm mal lieber deine Waffen mit. Suko meinte, sicher ist sicher, du verstehst?«
»Und ob. Vielen Dank für den Rat!«
Ich verschwand in meiner Wohnung. Sie war aufgeräumt, dafür hatte die Putzfrau gesorgt. Sie wurde zumeist von Shao reingelassen, und die Chinesin regelte auch das Finanzielle. Trotzdem stand die Luft in dem Raum. Ich hatte das Gefühl, Flüssigkeit zu atmen.
Obwohl Shao mich gedrängt hatte, wollte ich erst einmal lüften.
Nachdem ich Durchzug gemacht hatte, trank ich noch eine halbe Flasche Mineralwasser.
Adieu, laue Sommernacht, adieu, kühle Bierchen. Der Alltag und der Job hatten mich wieder. Ich war gespannt darauf, was Suko alles herausbekommen hatte.
Bevor ich die Wohnung verließ, schloß ich die Fenster und überprüfte meine Waffen.
Alles klar.
Dann fuhr ich nach unten. In der Tiefgarage war ich der einzige.
Der Bentley stand in der Box. Im Licht der hellen Leuchtstoffröhren sah ich den Staub auf dem Lack des Wagens. Das alte Schätzchen hatte eine Dusche auch mal wieder nötig.
Ich verließ den Komplex und rollte durch das nächtliche London.
***
Suko hatte es geschafft und die Frau wieder bis zum Fahrstuhl zurückgedrängt, ohne daß sie sich allzu sehr wehrte. Jetzt allerdings leistete sie stärkeren Widerstand. Ihrem Gesichtsausdruck entnahm der Inspektor, daß sie schreien wollte, und er preßte ihr blitzschnell seine linke Hand auf die Lippen. So erstickte der Ruf schon im Ansatz. Dafür leuchtete Panik in den Augen der Frau, die allmählich nachließ, nachdem Suko dreimal das Wort Polizei und zweimal Scotland Yard hinzugefügt hatte.
Er löste seine Hand von den Lippen und ließ die Frau ein paar mal tief durchatmen. Keuchend fragte sie: »Sind Sie tatsächlich von Scotland Yard, Mister?«
Der Inspektor wies sich aus.
Die Frau nickte und sagte noch immer keuchend und nach Luft ringend: »Wissen Sie, man wird heute so oft reingelegt, da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als mißtrauisch zu werden.«
Der Chinese nickte. »Das kann ich Ihnen nachfühlen, meine Liebe. Aber wie war das mit der
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