0279 - Der Zauberer von Venedig
war das, Signore Zamorra?« fragte er krächzend.
»Die Lösung des Falles!« erklärte der Parapsychologe mit eisiger Miene und kam langsam auf die Gruppe zu, während aus einer Gondel eben ein schmuckloser Zinksarg gehoben wurde.
»Wie darf ich das verstehen, Herr… Herr… Kollege kann ich doch sicher nicht mehr sagen?« stieß Dr. Bernini hervor. »Denn offensichtlich gehören Sie zu diesen Wunderdoktoren und Heilpraktikern, welche die…!«
»Ich bin Parapsychologe, und mein Fachgebiet umfaßt auch die Grundkenntnisse der modernen Medizin!« unterbrach ihn Professor Zamorra. »Doch was Ihre Frage betrifft - da antworte ich mit einer Gegenfrage!«
»Und die wäre?« fragte Luigi Cerrone neugierig.
»Glauben Sie an Teufel und Dämonen?« fragte Professor Zamorra leise…
***
Der ganze Raum schien nach Dämonen zu stinken. Von den ehemals schön getünchten Wänden bröckelte der Putz aus den Tagen, wo noch adlige Herrschaften den Palazzo bewohnten und Venedig in seiner Blüte strahlte. Aus den Ritzen tropften kleine Wassertropfen und rannen langsam zu Boden, wo sie irgendwo zwischen den morschen Holzdielen versickerten. Durch ein kleines Bogenfenster erkannte man die schwarzen Schnäbel einiger Gondeln, die sich im fauligen Brackwasser des Seitenkanals langsam auf und ab bewegten.
Auf dem roh behauenen Arbeitstisch waren seltsame Gerätschaften aufgebaut, wie sie in den Tagen des Mittelalters von den geheimnisvollen Alchimisten benutzt wurden. Skurril geformte Glasbehälter ruhten auf Dreifüßen, unter denen kleine Feuer flammten. Langsam blubberten darin Substanzen in verschiedenen Farben. In kleinen Fahnen stieg weißlicher Dampf auf und verbreitete einen üblen Geruch.
Die Hände des Mannes, der am oberen Ende des Tisches stand und die kochenden Substanzen keinen Moment aus den Augen ließ, kneteten eine grauschwarze Substanz, in die er zeitweilig dürre Äste abgestorbener Bäume schob.
Worte, die sich von der Zunge eines normalen Menschen nicht aussprechen lassen, flossen über seine Lippen. Immer wiederholten sie ein bestimmtes Wort. Einen Namen.
Tsat-hogguah! Der Name des entsetzlichen Götzen, der einst auf der Akropolis des versunkenen Atlantis verehrt wurde. Und der Mann, der hier den unheiligen Hochgesang intonierte, hatte einst im Palast von Poseidonis regiert.
Amun-Re, der Zauberkönig des verlorenen Kontinents!
Unter seinen schaffenden Händen formte sich ein Wesen von abgrundtiefer Häßlichkeit.
Ein Monster…
***
»Sag dem Typ hinter uns, daß er verschwinden soll, Tina!« forderte Sandra Jamis ihre Freundin auf. »Der Kerl will sicher was von uns. Aber das kommt gar nicht in Frage. Er soll abhauen!«
»Und warum tust du das nicht selbst?« lächelte Tina Berner.
»Weil du besser Italienisch sprechen kannst!« erklärte Sandra, obwohl ihre Freundin genau wußte, daß sich das Girl bloß nicht traute, den Typ anzureden und ihm einen Denkzettel zu verpassen.
Tina Berner war weit mutiger als die zurückhaltende Sandra. Während das Girl mit dem grazilen Körper, den kurzen Haaren und den dunklen, melancholischen Augen in aller Stille ihre Arbeit tat, war Tina Berner stets zu neuen Taten aufgelegt. Das Mädchen mit den dunklen Haaren, die derzeit nicht mehr die Länge hatten, die Michael Ullich so sehr mochte, dem kräftig gebauten Körper und dem fast jungenhaften Lächeln wurde mit jeder Situation fertig. Ganz klar, daß sie für Sandra die Beschützerrolle hatte, wenn es brenzlig wurde. Allzu leicht vergaß sie, daß es gerade die stille Sandra war, die ihr meist aus der Patsche half, in die sie sich voll Übermut gestürzt hatte.
Die beiden Girls waren mit Carsten Möbius und Professor Zamorra zusammen nach Venedig gekommen, um sich die Stadt zu betrachten und in Ruhe einzukaufen. Gerade waren sie unter dem Ala Napoleonica, dem Napoleonischen Flügel, der die Piazza San Marco im Westen abschließt, hindurchgegangen, hatten sich an diversen Andenkenläden vorbeigeschlichen und standen vor der Bacino Orseolo, einem Rundkanal, an dem sich die kleine Straße vorbeischlängelte.
Der für einen Italiener sehr hochgewachsene Mann mit dem pechschwarzen Haar und den eisigen Augen hatte sich schon in der Nähe des Campanile an ihre Fersen geheftet. Trotz des unübersichtlichen Gedränges, das unter den Arkaden auf der Piazza San Marco herrschte, war es den beiden Mädchen nicht gelungen, den Verfolger abzuschütteln. Zusehends verringerte sich der Abstand zwischen dem Schwarzhaarigen
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