0279 - Hexenkraft und Druidenzauber
einen dünnen grauweißen Staubfilm.
Suko drehte sich als erster, um in das etwas größere Zimmer gehen zu können. Auf der Schwelle blieb er abrupt stehen. Ich war ihm dicht gefolgt, konnte nicht mehr stoppen, befand mich zudem noch in Gedanken und lief prompt gegen ihn.
»He, was ist?« Ich beschwerte mich, nicht er.
Suko gab keine Antwort. Er trat nur zur Seite, damit auch ich einen freien Blick bekam und sah das, was meinen Freund Suko so erschreckt hatte.
Zwischen dem Rand und der hochgeschobenen Dachklappe hockte ein pechschwarzer Vogel. Vielleicht ein Rabe oder eine Elster oder ähnliches.
Ich wusste es nicht genau, hatte jedoch das unbestimmte Gefühl, es nicht mit einem normalen Vogel zu tun zu haben, denn Raben besitzen keine roten Schnäbel.
Dieser hier hatte einen!
Und er starrte uns an. Aus kleinen, gefährlichen und tückisch wirkenden Augen. Den Schnabel hatte er ein wenig geöffnet, als wollte er uns etwas sagen, doch er blieb stumm. Nicht einmal ein Krächzen drang aus seinem Rachen.
»Den hat uns jemand geschickt!«
Sukos Stimme klang leise, als er die Worte sprach.
Der Ansicht war ich auch. Wir mussten trotz unserer geringen Aktivitäten jemanden auf die Füße getreten sein, wobei ich mich fragte, wen wir geärgert hatten.
»Kannst du dir vorstellen, wer uns da ausspionieren will?«
Ich hob die Schultern. »Keine Ahnung, ehrlich. Aber das sieht mir alles nach Hexe aus.«
»Wieso?«
Ich grinste Suko an. »Hast du heute deinen naiven Tag?«
Der Inspektor reagierte. »Du meinst, dass Raben und Hexen immer zusammen arbeiten?«
»Genau.«
»Da kommt mir Wikka in den Sinn.«
»Und nicht nur dir«, erklärte ich. »Entweder ist es ein Zufall oder sie hängt tatsächlich in dem Fall drin, von dem wir leider noch zu wenig wissen.«
Wir konnten es drehen und wenden. Eine Lösung bekamen wir nicht. Wir waren nur auf Vermutungen angewiesen. Dabei hatten wir schon die tollsten Dinge erlebt, was Raben anging. Es war durchaus möglich, dass sich die Vögel in dämonische Helfer verwandelten. Ich brauchte da nur an einen Raben zu denken, in dessen Körper damals die Seele der Karin Mallmann gesteckt hatte.
»Wenn wir ihn fangen könnten, wäre damit viel gewonnen«, sagte ich zu Suko.
»Der fliegt weg.«
»Fürchte ich auch. Dennoch könnten wir es versuchen.« Ich nickte ihm zu. »Wir nähern uns ihm von zwei Seiten. Da können wir ja sehen, wie er reagiert.«
»Meinetwegen.«
So machten wir es auch. Suko schritt von links auf ihn zu, ich nahm die rechte Seite. Dabei gingen wir sehr leise. So wenig Geräusche wie möglich sollten den Raben aufschrecken, der seinen Platz nicht verlassen hatte und wie eine Statue dort hockte, um uns zu beobachten.
Er legte uns rein. Die Hälfte der Strecke zwischen ihm und der Tür hatten wir bereits zurückgelegt, als sich sein Gefieder sträubte und er plötzlich die Flügel ausbreitete.
Suko startete noch. Sein Sprung war fast artistisch, und er hätte den Vogel wahrscheinlich auch bekommen, doch als der Chinese zugriff, da drehte sich unser Rabe um und flatterte davon.
Zum ersten Mal hörten wir ihn auch.
Es war kein Krächzen, sondern ein Lachen. Es klang höhnisch und triumphierend, denn der Rabe hatte tatsächlich verstanden, uns reinzulegen, und das machte er uns auch klar.
Neben dem Fenster war Suko auf dem Boden gelandet. Bevor er wieder in der Senkrechten stand, schaute ich aus der Dachluke und sah den Raben in einen Garten fliegen, der sich hinter dem Haus ausbreitete. Als schwarzer Punkt verschwand er zwischen dem Grün der Sträucher.
Der war weg!
»Irgendwann lerne ich auch noch mal das Fliegen«, erklärte mir Suko mit finster entschlossenem Gesicht. »Das ist ja deprimierend, wenn man sieht wie einem die Gegner davonfliegen.«
»Kannst du wohl sagen.«
»He, Sie verrückter Kerl. Wo kommen Sie eigentlich her? Und was tun Sie in meinem Garten?«
Wir hörten die schimpfende Stimme einer Frau, schauten durch die Luke und sahen den Grund der Schimpfkanonade. Er bewegte sich sogar. Es war ein junger Mann in Lederjacke, der es sehr eilig hatte und seinen Weg geschickt in den Hintergrund des Gartens fand.
»Der Rabe!« sagte Suko.
Da hatte er ins Schwarze getroffen. Auch ich glaubte inzwischen daran, dass der Vogel und der junge Mann ein und dieselbe Person waren. Da konnte sich ein Vogel in einen Menschen verwandeln. Eigentlich irre, verrückt. Wahnsinn, aber es stimmte. Alte Märchen wurden plötzlich zu einer gefährlichen
Weitere Kostenlose Bücher