028 - Die Kapuzenmaenner
Brust, als ob er zu müde wäre, seinen Kopf hochzuhalten. Nach einer Weile sprach Henri Dillon weiter. „Meine Zeit geht zu Ende. Weder Paul noch Valerie sind stark genug, die Zügel in die Hand zu nehmen. Und Belial darf es nicht. Ich kann nicht zulassen, daß er die Gewalt über das Dillon-Vermögen in die Hand bekommt. Ich brauche einen starken Mann, der sich um meine Leute kümmert und für sie sorgt. Ich hatte gehofft, du könntest dieser Mann sein, Eric. Ich habe nicht erwartet, daß du akzeptierst, was der Rest der Familie tut. Du solltest dich nur um sie kümmern, wenn ich nicht mehr da bin. Wir haben keine Freunde außer dir. Meiner Anwaltsfirma kann ich sie nicht überlassen. Das ganze Dillon-Vermögen würde auf dich übergehen und dir die Möglichkeit geben, mit deiner Arbeit fortzufahren.“ Er hob die Hand, als Eric sprechen wollte. „Ich möchte keine hastigen Entscheidungen. Bevor ich dir mehr erzähle, hätte ich gern, daß du unsere Familiengeschichte liest.“
Campion beugte sich vor und nahm ihm ein schweres Buch ab, legte es auf seine Knie und warf einen Blick darauf. Es war in gebleichtes, lohfarbenes Leder gebunden. Auf dem Deckblatt war das Kreuz der Gandillon-Familie eingebrannt. Darunter stand der Namenszug Gandillon in derselben zittrigen Schrift wie auf dem Schild auf dem Weg nach Widderburn.
„Ja“, beantwortete Henri Erics unausgesprochene Frage. „Es ist in Menschenhaut gebunden. Aber die Dinge, die darin stehen, sind noch weit schlimmer. Wenn du das Buch gelesen hast, wollen wir uns wieder unterhalten, und ich werde dir sagen, warum ich deine Hilfe brauche.“
Selbst mit seiner Kenntnis alter Sprachen, die für seine Untersuchungen notwendig waren, geriet Campion in diesem Labyrinth von Französisch, Latein, klassischem Griechisch und gelegentlichen Passagen in Hebräisch immer wieder in Schwierigkeiten. Das verblichene Pergament, auf dem an manchen Stellen die Schrift fast verschwunden war, ließ sich schwer entziffern.
Dies war die Geschichte des Verfalls einer Familie, die im Jahre 1500 begann. Der erste Honore Gandillon schrieb sie nieder, seine Kinder und Kindeskinder hatten sie fortgesetzt. Er erzählte von seinem Weib Marie, die ihn in die dunklen Mysterien einführte und die seine Geliebte lebendig enthäutete, um das Leder zu bekommen, mit dem das Buch eingebunden war.
Als Honore seinen Reichtum und den Familienschmuck verspielt hatte, war außer dem Land nichts mehr vorhanden. Als Fideikommiß konnte es aber nicht verkauft werden. Da schloß er einen Pakt mit dem Teufel, um wieder reich zu werden. Ihm gefielen das Ritual der Teufelsanbeterei und seine neuen Pflichten seinem Herrn und Meister gegenüber besser als das Glücksspiel. Sexorgien und Hexerei faszinierten ihn so, wie es die Spieltische früher getan hatten. Dürre und Hungersnot halfen ihm, seine Leibeigenen für die Riten zu gewinnen. Seine Provinz wandelte sich zu einem Ort des Grauens, von Reisenden und jenen, die auf seinem Lande lebten, gefürchtet.
1586 wurde ein einfacher Priester, Pater Paul, das Werkzeug seines Falls. Er zeigte Honore bei den zuständigen Behörden an. Honore, Marie und ihre Assistenten wurden im Hof ihres Schlosses verbrannt, ihre verkohlten Leiber in der Familiengruft beigesetzt. Maries Bruder, Jacques, floh mit den drei Kindern, dem elf Jahre alten Anton, dem neun Jahre alten Pierre und der siebenjährigen Michele, in die Normandie. Dort hoffte er, daß sie ihr Erbe vergessen würden.
Anton wurde Lehrling bei einem Schuhmacher, Pierre kam zu einem Arzt und Michele wurde in ein Klostergeschickt.
Anton war Zeuge der Sünden seiner Eltern gewesen und hatte es fertiggebracht, das Tagebuch seines Vaters sowie ein Buch mit Zaubersprüchen zwischen seinen paar Habseligkeiten herauszuschmuggeln. Seine Freizeit verbrachte er mit dem Studium dieser Bücher.
Mit siebzehn Jahren floh Anton zusammen mit seinem jüngeren Bruder und seiner Schwester zurück in ihre Heimatprovinz. Dort fanden sie gleichgesinnte Menschen, die noch ihrem Vater anhingen und bildeten erneut eine Gemeinde. Ihr Hauptquartier schlugen sie in einer Höhle auf und lebten von dem, was ihnen die Dorfbewohner brachten. Kein Außenstehender wußte, daß sie noch lebten und die Praktiken ihres Vaters ausübten.
Als Anton neunzehn war, heiratete er in einer scheußlichen Zeremonie, einer Verhöhnung des christlichen Gottesdienstes, seine Schwester. Zur selben Zeit heiratete Pierre eine Frau aus dem Dorf. Anton und
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