028 - Die Kapuzenmaenner
das Tier, bückte sich, nahm das Kreuz von seinem Halsband und machte den Hund wieder an der Leine fest. Der Hund ging bei Fuß, preßte sich gegen sein Bein und schaute ihn ängstlich an.
Er war jetzt sicher, daß es sich bei dem Tiger um ein Geschöpf Belials handelte. Falls es wirklich eine hungrige Katze gewesen wäre, hätte sie den Hund geschlagen, auch wenn sie schon an Menschenfleisch gewohnt war. Er hatte den Hund dazu benutzt, um festzustellen, ob der Tiger wirklich war.
Campion konnte nicht schlafen. Er war an Leib und Seele müde, aber sein Geist weigerte sich, von diesem Kreis der Fragen und Spekulationen abzulassen. Er fand es unerträglich, sich weiter im Bett herumzuwälzen, stand auf, zog einen Morgenmantel an und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen.
Charlemagne, der am unteren Ende des Bettes im Schatten lag, hob den Kopf und spitzte die Ohren. Er schien zu lauschen. Campion beobachtete den Hund, wie er sich aufrichtete und klagend heulte. Die Töne trafen Campion wie ein körperlicher Schlag.
Campion ging einen Schritt auf ihn zu, um ihn zu beruhigen. Da hörte man außerhalb des Zimmers einen dünnen, hohen Schrei, wie ein Echo auf das Heulen des Hundes. Charlemagne heulte noch einmal. Campion riß die Tür auf. Das Schreien hörte nicht auf. Paul kam aus seinem Zimmer gegenüber, eine Lampe in der Hand. Er schaute zur Halle hinunter, während Valerie und Kate ebenfalls aus ihren Zimmern traten. Das Schreien verstummte, nur der Hund im Zimmer hinter Campion heulte weiter.
„Das ist Großvater“, sagte Paul. Seine Hand mit der Lampe bebte.
Campion schloß die Tür, damit der Hund drinnen blieb und sein Heulen gedämpfter klang. Er nahm Paul die Lampe ab, als der Schrei erneut zu hören war, und ging schnell die Halle hinunter. Die Mädchen und Paul folgten ihm, bis Paul Erics Arm berührte und mit dem Kopf auf Henris Tür wies. Campion wartete und auch Paul zögerte einen Augenblick, als ob er Angst vor dem Kommenden hätte. Dann öffnete er weit die Tür. Ein Strom abgestandener, gewürzter Luft kam aus dem Zimmer und ließ das Licht der Lampe aufflackern. Plötzlich ging das Licht aus und der Schrei wurde leiser, bis man nur noch ein heftiges Keuchen hörte. Campion betrat hinter Paul den Raum und sah zwei grüne, helle, bösartige Katzenaugen in der doppelten französischen Tür auf der anderen Seite des Zimmers aufleuchten.
Da Paul nicht imstande schien, sich zu bewegen, ging Eric an ihm vorbei, nahm eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche seines Morgenmantels und zündete die Lampe wieder an. Die grünen Augen verschwanden, man hörte ein Kratzen wie von Krallen im Holz, dann war das Tier verschwunden.
Das Zimmer verlor das Beklemmende. Eine Lampe neben dem Bett wurde angezündet, rauchte einen Augenblick und gab dann ein klares, ruhiges Licht.
Henri Dillon hörte auf zu keuchen, atmete noch einmal tief und stieß dann einen Seufzer der Erleichterung aus. Dann lehnte er sich gegen seine Kissen zurück.
Campion erschrak über das veränderte Aussehen des alten Mannes. Die rötliche Farbe gesunden Alters, die klaren, lebendigen Augen, das kurze, eisengraue Haar waren verschwunden. Sein Gesicht sah aus, als ob es ein übergeschnappter Impressionist mit gelben Linien und kränklich grünen Schatten bemalt hätte. Seine Augen waren gerötet, sogar die Pupillen, sein Haar lang, ungekämmt und völlig weiß.
Paul und die beiden Frauen traten hinter Campion ins Zimmer. Sofort änderte sich alles. Henri Dillons Züge glätteten sich, und sein Gesicht bekam wieder Ähnlichkeit mit dem Henri Dillon, den er früher gekannt hatte.
„Was war los?“ fragte Campion.
„Es wurde langsam Zeit, daß du kamst“, sagte der alte Mann, ohne die Frage zu beachten.
„Ist alles in Ordnung, Großvater?“ fragte Paul, der sich wieder unter Kontrolle hatte.
„Ich bin in Ordnung“, sagte der alte Mann. „Du und Valerie, ihr geht jetzt wieder ins Bett. Ich will mit Eric reden.“ Während er sprach, schaute er aufmerksam Kate an und dann, eine Frage in den Augen, wieder Eric.
„Du schriebst, du wärest krank. Da habe ich ein medizinisch ausgebildetes Mitglied unserer Firma mitgebracht. Dies ist Dr. Mallory“, beantwortete Eric die unausgesprochene Frage.
„Ich bin Ärztin“, bestätigte Kate.
Paul und Valerie verließen den Raum und ließen Kate und Eric bei ihrem Großvater zurück. Dann ging die Tür wieder auf und Valerie kehrte zurück. „Was willst du ihm sagen?“
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